Berlin alpin

Zum Wintersport in die Berge, wär das was? Na dann: Auf geht’s! Ein Ausflugsführer zu den Berliner Gipfeln. TEXT UND FOTOS VON STEFAN JACOBS

Wer über Berlins Berge nur lachen kann, war noch nicht oben. Sechs Hunderter hat die Stadt, gut verteilt, sodass jeder einen anderen Ausblick bietet. Alle lassen sich auf Halbtagestouren bezwingen. Und, um ehrlich zu sein: Einen kann man sich sparen, und bei einem anderen gibt’s ein Problem.

Der Problemberg ist ausgerechnet der höchste, nämlich der südöstliche Gipfel der Arkenberge. 120,7 Meter ergab die bezirksamtliche Messung vor zwei Jahren, 122 behauptet der Findling auf dem kahlen Gipfel, den man über einen befestigten Fahrweg erreicht. Nur leider nicht legal, denn die Arkenberge sind eine Bauschutthalde, die über Jahre auf einer Anhöhe im Norden von Pankow getürmt wurde bis zum Rekord. Ein Zaun mit Lücken umgibt die Berge, die aus der City am besten über den Radweg Berlin-Usedom via Pankow erreichbar sind. Vom auch im Winter herrlichen Schlosspark Schönhausen geht’s an der Panke nordwärts, dann wurstelt man sich durch Französisch Buchholz. Oder man nähert sich den Arkenbergen vom Mauerweg aus über Schildow und Blankenfelde an. Die Umgebung der Berge punktet mit einem idyllischen Baggersee, aber bekommt fürs Hundeauslaufgebiet einen halben Punkt wieder abgezogen. Sporadische Tage der offenen Tür (Termine hier) bieten die Chance auf eine legale Gipfeltour. Die lohnt zumindest an klaren Tagen, wenn mehr zu sehen ist als nur das Märkische Viertel und die Kleingartenanlage am Fuß der Berge.

Im nicht ganz so hohen Norden rufen die Ahrensfelder Berge mit ihrem 114,5 Meter hohen Gipfel. Auch der resultiert aus neuzeitlichem Berg-Bau, der 2008 mit einer Aussichtsplattform gekrönt wurde. Zum Rekord fehlten aber doch ein paar Zentimeter im Vergleich zu Teufels- und Müggelberg. Es lohnt nicht, sich von den Arkenbergen her nach Ahrensfelde zu quälen, denn deutlich schöner ist die Anfahrt von Süden über den Wanderweg entlang der Wuhle. Die zieht sich als grüne Ader zwischen Marzahn und Hellersdorf. Der Ausblick, wenn man den befestigten Weg von Süden auf den Gipfel gefahren ist, hat vor allem bei Sonne seinen Reiz. Hinter den Plattenbausiedlungen ragen Fernsehturm und Stadtschlosskuppel auf; je nach Sicht lassen sich auch die alpinen Brüder orten. Gleich nebenan steht der Newcomer des Jahres 2017, der Kienberg. Berlins kleinster Hunderter schafft es mit seinen 102 Metern zwar nur auf Platz sechs in der Gesamtwertung, trumpft aber dank der Gartenausstellung IGA (ab 13. April) mit einer Seilbahnstation und dem »Wolkenhain« auf, auf dem sich mit Fernsicht flanieren lässt. Vom Ahrensfelder Berg dagegen gibt’s nicht nur den Blick, sondern auch die Abfahrt gratis – wahlweise über den MTB-Pfad nordwärts oder über den Spazierweg nach Süden, auf dem aber mit arglosen Fußgängern gerechnet werden muss.

Solider als die windigen Gesellen im Norden sind die ungedopten Berge, die die Eiszeit am südlichen Stadtrand hinterlassen hat. Im Südosten sind die Müggelberge das Highlight, komfortabel zu erreichen auf dem Spreeradweg und dem R1 via Treptower Park, Wuhlheide und Köpenick. Nach einem Blick auf den Müggelsee geht’s über den Müggelheimer Damm auf einer Betonstraße durch den Wald, die die rund 80 Meter hohen Kanonenberge links liegen lässt und dann mit acht Prozent auf den Müggelberg steigt. Und zwar auf den Kleinen, der als Home of the Müggelturm der berühmtere ist. Sobald man wieder Puste hat, kann man an der Imbissbude ein Ticket für 2 Euro kaufen (und bei Bedarf eine »Bockwurst XXL«) und die 123 Stufen des Turms in Angriff nehmen. Von oben herrscht trotz des Gitters freier Wind und Blick: Im Norden liegt der Müggelsee tiefblau im Wald. Dahinter Friedrichshagen als scheinbarer Vorort von Marzahn & Co., westlich das weit entfernte Panorama der City. Im Süden glitzert der Lange See, dahinter liegt der Problem- BER. Und bei ganz klarer Sicht erspäht man die Tropenhalle am Rande des Spreewaldes. Der 115 Meter hohe Große Müggelberg gipfelt versteckt im Wald; ein beschilderter Pfad zweigt vom Kammweg ab. Dieser führt asphaltiert steil abwärts nach Müggelheim (verlockend, aber tückisch wegen Zielkurve und Rutschgefahr), von wo man wahlweise auf dem R1 am Müggelsee zurückfährt oder entlang der Dahme über Wendenschloss nach Köpenick oder mit der Fähre nach Grünau.

Ebenfalls ganz im Süden, aber gut 50 Radelkilometer entfernt befindet sich der 103 Meter hohe Schäferberg am Wannsee. Auch er ist Natur pur, aber nur über einen arg rumpligen Pflasterweg von der Königstraße aus erreichbar und ohne Aussicht. Der über 200 Meter hohe Sendeturm auf dem Gipfel, der einst die »Telefonbrücke« zwischen West-Berlin und BRD (mit Gegenstation im Harz) bildete, ist umzäunt, sodass der Weg auf den bewaldeten Gipfel nicht lohnt. Stattdessen erweist sich die hügelige R1-Route durch den Wald und am Ufer der Havel entlang als die reizvollere Alternative. Vor allem Richtung Wannsee geht es munter auf und ab, während der Westteil Richtung Glienicker Brücke – mit direktem Anschluss nach Potsdam, wenn man mag – flach ist. Es sei denn, man erklimmt das Steilufer, auf dem beispielsweise das russisch gestylte Gastaus Nikolskoe und die Kirche Peter & Paul nebenan im blätterlosen Winter mit besonders freiem Blick über die Havel erfreuen. Direkt am Weg liegt außerdem der Anleger, von dem einen (zu Fuß) die Fähre auf die Pfaueninsel bringt. Und wer einfach nur Pause machen will, stärkt sich im Gasthaus gegenüber. Das hat auch werktags geöffnet, wenn hier in der Nebensaison weniger los ist als sonst.

Stärkung verdient hat vor allem, wer anschließend noch den 120 Meter hohen Teufelsberg erobern will. Der standesgemäße Weg dorthin führt vom Wannsee über die Havelchaussee, die mit gut zehn Kilometern fast stetigem Auf und Ab wohl Berlins längste Bergetappe ist. Via Heerstraße geht’s auf die als Fahrradstraße ausgewiesene Teufelsseechausse, von der die Wege zu den beiden Gipfeln jeweils rechts abzweigen. Der höhere ist der hintere, auf dem die Amerikaner einst eine Abhörstation betrieben. Die umzäunten Ruinen der »Weltraumpilze« sind für stolze 8 Euro Eintritt zugänglich. Der Weg außen um den Zaun ist gefährlich schmal am steilen Hang. Man konzentriert sich also lieber auf den nördlichen Gipfel, der aus gegebenem Anlass »Drachenberg« genannt wird und vom kahlen Gipfelplateau den viel besseren Blick bietet. Der Funkturm scheint gleich nebenan zu sein. Die Auf- und Abfahrt ist nicht allzu steil, aber wegen Fußgängern und Querrillen bieten sich keine Rekordversuche an. Aber irgendwas müssen Alpen & Co. den Berliner Bergen ja auch voraus haben.

Tipp:

Der ADFC-Fahrradstadtplan Berlin (1:30.000) aus dem Pietruska-Verlag verzeichnet zwar die Gipfel nicht, aber als einziger das komplette Gebiet. Schöne Reiselektüre ist der »Bergführer Berlin« (be.bra-Verlag, 16 €). Beides ist erhältlich im der Velo-Bibliothek des ADFC Berlin.

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