Zum BER und nach Grünheide – nur auf vier Rädern statt mit dem Rad?
Der Großstadtflughafen Berlin-Brandenburg sowie die im Bau befindliche Tesla-Gigafactory in Grünheide sollen mehrere zehntausend Menschen beschäftigen – der Weg dorthin ist mit dem Rad bisher nicht zu bewältigen. Von Josefine Jahn.
Nach Jahren ist er endlich eröffnet worden, der Hauptstadtflughafen BER. In den kommenden Jahren soll die Region um den Airport wirtschaftlich weiter ausgebaut werden, bis zu 85.000 Arbeitsplätze sollen dadurch entstehen. Die Beschäftigten, wie auch die Fluggäste, müssen aber auf das Rad als Fortbewegungsmittel zum Arbeits- bzw. Abreiseort verzichten. Denn an den Bau eines Radwegs zum lange geplanten und lange gebauten Flughafen wurde schlichtweg nicht gedacht. »Sie könnten zum Beispiel in Neukölln oder Treptow-Köpenick wohnen, in Mahlow oder Ragow, Rangsdorf oder Königs-Wusterhausen, in Eichwalde oder Mittenwalde und mit dem Rad zu Arbeit fahren. Wenn Radfahrende aber aufgrund mangelnder Planung gezwungen werden, ein langes Stück auf einer Straße zu fahren und sich die Straße mit gestressten Autofahrern zu teilen, dann ist Radfahren eine bedrohliche Zumutung«, sagt Reinhard Kähler von der ADFC-Regionalgruppe Königs-Wusterhausen. Während die Bahnanbindung vorzüglich sei und auch die Anfahrt mit dem Bus gut realisierbar, wurde hier primär an den Autoverkehr gedacht. Diesen Mangel im Nachhinein eines solchen Großbauprojekts zu beheben, ist deutlich aufwändiger, als wäre der Radweg von Beginn an mitgeplant worden.
Dennoch halten Kähler und seine Regionalgruppe, die sich im März 2019 gegründet hat, daran fest: Der BER braucht eine Radweganbindung. Das muss auch im Nachhinein realisiert werden. Dafür ist die Gruppe im ständigen Austausch mit Brandenburger Kommunen und Stadtbezirken in Berlin. Denn – und hier liegt eine Hürde – die Radwege müssten länderübergreifend verlaufen, womit die Baulast und die Kosten zur Erhaltung der Radwege jeweils auf mehrere Kommunen verteilt wären. Immerhin: Der Landkreis Dahme-Spreewald hat im vergangenen Februar eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben; das Ergebnis steht derzeit noch aus. Breite Radwege mit gutem Oberflächenbelag sind noch Wunschdenken, aber durchaus machbar, denkt Reinhard Kähler.
Ein Hauptbaustein für gute Fahrradanbindungen aus der Hauptstadt zum Flughafen BER soll die sich in der Planung befindende Radschnellverbindung Y-Trasse werden, die die Berliner Bezirke Neukölln, Kreuzberg und Treptow miteinander verbindet. Nach jetzigem Stand soll die Trasse 2025 fertig sein. Essenziell für eine sichere Radinfrastruktur sei die Art, wie Kreuzungen mit Hauptverkehrsstraßen gestaltet werden, findet Andreas Paul, Sprecher der ADFC-Stadtteilgruppe Treptow-Köpenick. So gebe es auf dem Weg zum neuen Flughafen zum Beispiel am Ende der Waltersdorfer Chaussee für Radfahrer keine sichere Möglichkeit, die Bundesstraße 96a zu queren. Eine Brücke würde das Problem beheben. »Geld wäre hier nicht das Problem«, sagt Paul. »Aber es fehlt jegliches Denken dafür, jegliche Motivation.«
Sich die Straße mit den Autos zu teilen, sei hier nicht möglich. Auch zusätzliche Radwege neben den Straßen seien nicht überall realisierbar. »Wenn man weiß, wie man fährt, landet man auf einem geteilten Geh- und Radweg«, erklärt Andreas Paul – der aber nicht soweit ertüchtigt sei, dass tatsächlich Menschen zu Fuß und auf dem Rad einander problemlos begegnen könnten. Er ist zu schmal. Demnach endet die Möglichkeit, den BER mit dem Fahrrad zu erreichen, drei Kilometer Luftlinie vor dem Terminal. Das Problem liegt in dem Planungschaos der vergangenen Jahre – durch ständige Wechsel der Zuständigkeiten für das riesige Bauprojekt ist die Planung von Radwegen untergegangen. Und nicht nur die Wege wurden vergessen – auch Unterstellmöglichkeiten für Räder am BER gibt es keine.
Der ADFC fordert deshalb, versäumte Planungen nachzuholen. Neben einer »sicheren und komfortablen Radwegeanbindung« braucht es »natürlich ein großes Fahrradparkhaus«, so ADFC-Bundesgeschäftsführer Burkhard Stork.
Auch Grünheide ohne Anbindung
Ein weiteres Gewerbegebiet entsteht derzeit in Grünheide (Mark). Der US-amerikanische Elektroautomobilhersteller Tesla plant hier eine Produktionsstätte, in der bereits im kommenden Juli die ersten Elektroautos vom Band gehen sollen. Bis zu 500.000 Autos jährlich sind geplant. Zunächst sollen 12.000 Menschen hier Arbeit finden – eine Hoffnung für die 9.000-Seelen-Gemeinde und das Umland.
Konkrete Pläne zum Bau von Radwegen zur geplanten Gigafactory gibt es bisher nicht. Tesla verweist auf eine Direktverbindung zwischen Grünheide und dem sechs Kilometer entfernten Erkner, das wiederum über die Deutsche Bahn mit Berlin verbunden ist. »Hier stimmt aber die Taktzeit nicht. Dreißig Minuten – das macht keiner mit«, vermutet Andreas Paul und hat eine Vision: »Zwischen Adlershof und Grünheide sind es etwa 20 Kilometer, für trainierte Radler*innen ist das eine Stunde Fahrtzeit. Solange brauche ich auch mit dem Auto im Berufsverkehr.« Den nach Erkner führenden Europaradweg E10 könne man bis Erkner teilweise mitnutzen, hie und da müssten vorhandene Wege ertüchtigt werden. In Grünau kommt man bislang mit der Fähre über die Dahme – die fährt allerdings nur alle 45 Minuten. »Es bräuchte also eine Fußgänger- und Radbrücke an der Stelle und dann hätte ich eine ganz tolle Strecke durch den Wald«, schwärmt Paul. Durch den Wald geht bereits ein etwa 1,50 Meter breiter Radweg. Schlaglöcher müssten ausgebessert und der Weg verbreitert werden, eine Grundlage ist aber bereits vorhanden. Auch hier überschreitet der Radweg die Ländergrenze zwischen Berlin und Brandenburg, die Kommunen zieren sich jeweils, den ersten Schritt zu machen.
Der Vorsitzende des ADFC Brandenburg, Dr. Stefan Overkamp, fasst es so zusammen: Damit Radwege zu diesen zwei Großprojekten erschlossen werden, »ist es dringend notwendig, dass das Land Brandenburg die Verantwortung für diese überregional bedeutsamen Radwegeverbindungen übernimmt.«