Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Landesverband Berlin e. V.

Und jetzt bitte absteigen. Aus für fast alle Berliner Radschnellwege

Die Senatsverwaltung für Verkehr hat die Planungen für fast alle Berliner Radschnellwege beendet. Warum das Berlin schadet, analysiert Solveig Selzer.

Im  vergangenen  Jahr  wurden  in Deutschland erstmals mehr Pedelecs als  herkömmliche  Fahrräder  verkauft. Dies passt gut zu der Tatsache, dass ein durchschnittlicher Arbeitsweg zehn bis 15 Kilometer beträgt. Diese Strecke lässt sich gut mit einem Pedelec zurücklegen. Was allerdings nicht damit zusammenpasst, ist die heutige Fahrradinfrastruktur. Matschige, unbeleuchtete, von Wurzeln aufgerissene und mit nassem Laub bedeckte  Radwege,  alle  zwei  Minuten absteigen  müssen  an  Kreuzungen, Mischverkehr mit hupenden und drängeln den Autos. Es ist daher wenig überraschend,  dass  das  Verlagerungspotenzial hin zum Radverkehr längst nicht  ausgeschöpft  wird. Insbesondere in einer wachsenden Stadt wie Berlin wäre es dringend notwendig, Pendler:innen gute Alternativen für den Weg zur Arbeit oder zur Universität anzubieten, damit der ÖPNV und die Straßen nicht weiter überlastet und verstopft werden. 

Abhilfe sollten hier eigentlich die  Radschnellwege  schaffen. 100 Kilometer Radschnellwege sollen in Berlin entstehen – das war eines der Ergebnisse  des  Verhandlungsmarathons zwischen Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft, der 2018 im Berliner Mobilitätsgesetz mündete. Die Urban Tech Republic, der Forschungsstandort Adlershof und zahlreiche Neubaugebiete sollen angebunden werden, wobei die Routen von Karow bis Lichterfelde Süd und von Altglienicke bis zum Falkenhagener Feld reichen.
Besonders den Außenbezirken bieten sie Vorteile, da es einfach ist, eine Sporteinheit mit dem Weg in die Innenstadt zu jeder Tageszeit selbstbestimmt zu  verbinden  –  oder umgekehrt  für Menschen, die aus den Innen- in die Außenbezirke pendeln. Im August 2024 jedoch verkündete die von der CDU geführte Senatsverwaltung für Verkehr das  Ende  für sechs der neun Pendelrouten, an denen seit mehr als fünf Jahren gearbeitet wurde.

Nur der Kronprinzessinnenweg, der abgesehen von der fehlenden Beleuchtung bereits heute gut befahrbar ist, solle realisiert  werden.  An  den  Ost-  und West routen werde weiter geplant, doch für alle anderen Projekte sei Schluss. Das ist ein Schlag ins Gesicht für die vielen Radfahrenden, die bereits jetzt auf den Straßen unterwegs sind. Das ist jedoch auch eine Absage an die Mehrheit der Berliner:innen, die sich laut Umfragen mehr Radwege wünscht und dadurch häufiger das Fahrrad nutzen würde.

Darüber hinaus ist es ein bizarrer Schritt, angesichts der Tatsache, dass in ganz Deutschland derzeit Radschnellwege geplant und gebaut werden. Gerade Metropolregionen wie Hamburg, Frankfurt oder München setzen sich mit Mut und Nachdruck für gute Pendelrouten ein. Baden-Württemberg lässt sich 21 Verbindungen vom Bund fördern. Auch Brandenburg plant, Radschnellwege einzurichten. Diese sollen in einigen Fällen dort beginnen, wo die Berliner  Radschnellwege  aufhören  – oder sollten muss man jetzt sagen. So manche Brandenburger Pendlerin wird verdutzt dreinschauen, wenn sie auf einem  schönen und gut ausgebauten Radschnellweg bis zur Berliner Stadtgrenze fährt und es dann plötzlich nicht weiter geht. 

Die neun Berliner Radschnellwege, die in Planung waren, sollten teils auf attraktiven direkten Routen durch die Stadt  führen, wie die Ost- und die Westroute. Teils hätte man einen schönen Blick auf die Natur, wie auf der Teltowkanal- und der Spandauroute. Manche  der  Routen  hätten  viele Brücken enthalten und dadurch neue Wege eröffnet, die heute nicht möglich wären. Eines haben sie alle gemeinsam: Sie haben ein positives Ergebnis bei der Machbarkeitsuntersuchung und ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis. Sie würden den Pendelstau und -frust reduzieren und ein tolles Angebot schaffen, das es so heute noch nicht gibt. Und sie würden die Lebensqualität in der Stadt erhöhen.

Dass ihr Aus ausgerechnet mit einem Kostenargument begründet wurde, ist absurd. Denn zum einen gibt es ein Förderprogramm für Radschnellwege vom Bund, das 75 Prozent der Kosten für Planung und Bau trägt. Bisher hat Berlin gerade einmal einen Antrag für einen Radschnellweg gestellt. Zum anderen kosten die Radschnellwege circa drei bis vier Millionen Euro pro Kilometer, Brücken und andere komplizierte Bauwerke eingerechnet. Die TVO würde 50 bis 100 Millionen Euro pro Kilometer kosten, die A100 über 250 Millionen Euro. Es ist also an der Zeit, dass sich die CDU ehrlich macht: Es handelt sich um eine politische Entscheidung, nicht um eine finanzielle; sie will den Radverkehr nicht fördern.

Standards für Radschnellwege:

  • möglichst direkter Verlauf
  • Vorfahrt an Kreuzungen
  • mindestens 3 Meter breit, im Zweirichtungsverkehr 4 Meter
  • guter Belag
  • gute Beleuchtung
  • guter Winterdienst
  • keine starken Neigungen
  • vom Autoverkehr möglichst getrennt
  • eigener, abgetrennter Weg für den Fußverkehr

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