Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Landesverband Berlin e. V.

Kritische Abbiegesituation zwischen LKW und Fahrrad

Kritische Abbiegesituation zwischen LKW und Fahrrad © ADFC / Juliane Mostertz

Sicherheit für Radfahrende: Lkw haben keine „Toten Winkel“

Lkw-Abbiegeunfälle mit Radfahrenden enden vielfach tödlich. Oft ist dann vom "toten Winkel" die Rede. Warum es diesen nicht gibt, wie die richtigen Spiegel hundertprozentige Sichtbarkeit herstellen können und was man als Radfahrer:in beachten sollte.

Warum Lkw keine “toten Winkel” haben: 

An einem korrekt ausgestatteten Lkw sind sechs Spiegeln oder Kamerasysteme angebracht,  die dem Fahrer oder der Fahrerin eine Rundumsicht ermöglichen. Diese Rundumsicht hängt jedoch entscheidend von der richtigen Einstellung der Spiegel ab. Wenn die Spiegel korrekt justiert sind und ein:e Fahrer:in sie gewissenhaft nutzt, können auch Radfahrer:innen neben dem Lkw problemlos wahrgenommen werden.

Vorbereitung und Fahrt:

  • Bevor ein:e Lkw-Fahrer:in die Fahrt beginnt, muss er sicherstellen, dass alle Spiegel und Kameras richtig eingestellt sind und eine vollständige Rundumsicht besteht.
  • Beim Abbiegen ist ein:e Fahrer:in verpflichtet, in alle relevanten Spiegel zu blicken. Aus diesem Grund schreibt die Straßenverkehrsordnung (StVO) Schrittgeschwindigkeit beim Abbiegen vor. Diese Geschwindigkeitsreduzierung ermöglicht es, auf potenziell gefährliche Situationen zu reagieren.

Sichtbarkeit von außen:

  • Für Außenstehende ist die Funktion der Spiegel gut nachvollziehbar: Wenn man im Spiegel das Lenkrad und die Seitenscheibe der Fahrertür sieht, ist man auch für den Lkw-Fahrenden sichtbar.

LKW-Spiegel in EU-Vorschriften und StVZO

Die EU schreibt seit Januar 2007 eine Ausstattung von neu zugelassenen Lkw mit Spiegeln für die lückenlose Rundumsicht vor. Ab März 2009 müssen aufgrund der Richtlinie 2007/38/EG auch bestehende Lkw mit den Spiegeln nachgerüstet sein.

Die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) schreibt in Deutschland vor:

§ 56 Spiegel und andere Einrichtungen für indirekte Sicht

(1) Kraftfahrzeuge müssen nach Maßgabe der Absätze 2 bis 3 Spiegel oder andere Einrichtungen für indirekte Sicht haben, die so beschaffen und angebracht sind, dass der Fahrzeugführer nach rückwärts, zur Seite und unmittelbar vor dem Fahrzeug – auch beim Mitführen von Anhängern – alle für ihn wesentlichen Verkehrsvorgänge beobachten kann.

Fahrzeuge mit “Totem Winkel” sind daher nicht konform zur StVZO.

 

Das sollten Radfahrende beachten:

  • Lkw-Fahrer:innen, die rechts abbiegen wollen, müssen vorher oft nach links ausholen.
  • Man sollte immer mit einem möglichen Rechtsabbiegen rechnen, auch wenn der Lkw nicht blinkt.
  • Wenn der Lkw bereits an einer roten Ampel steht, dann nicht direkt daneben aufstellen, sondern entweder davor im Sichtfeld des Fahrenden oder dahinter einordnen.
  • Biegt ein Lkw ab, hat das Fahrzeug eine Schleppkurve. Es kann also passieren, dass der hintere Teil des Fahrzeuges über den Bürgersteig, den Fahrradweg oder der Fahrradaufstellfläche rollt. Deswegen sollten Radfahrer:innen nie neben einen Lkw fahren oder stehen, wenn dieser die Möglichkeit hat, abzubiegen. 

37 Fahrradtote trotz moderner Kamerasysteme:

Wie bereits erläutert, gibt es bei korrekt eingestellten Spiegeln und modernen Kamerasystemen keinen "toten Winkel" mehr. Doch trotz dieser technischen Hilfsmittel und der Abbiege-Vorschriften der StVO  starben in Berlin zwischen 2013 und 2023 insgesamt 37 Radfahrer:innen beim Zusammenprall mit einem abbiegenden Lkw. Diese Abbiegeunfälle machten rund 30 Prozent der tödlichen Fahrradunfälle in diesem Zeitraum aus.

Vision Zero und notwendige Maßnahmen:

Seit Jahren fordert der ADFC Berlin mehr Einsatz auf dem Weg zur Vision Zero. Die Vision Zero ist das Ziel von null Verkehrstoten und null Schwerverletzten, zu dem sich auch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr bekennt. 

Da Menschen immer wieder Fehler machen, sind fehlerverzeihende Infrastruktur und fehlerverzeihende Technik nötig:

  • Kurvenradien in Kreuzungen sollten so eng gestaltet sein, dass die Schrittgeschwindigkeit von Lkw automatisch eingehalten wird.
  • Getrennte Grünphasen für abbiegenden Pkw- und geradeausfahrenden Radverkehr, insbesondere bei zweistreifigem Abbiegen, können Leben retten.

Abbiegeassistenzsysteme und weitere Forderungen

Neuzugelassene Lkw müssen seit dem 7.7.2024 zwar mit Abbiegeassistenzsystemen mit optischer oder akustischer Warnung ausgestattet sein. Solange diese jedoch einfach ausschaltbar sind, werden wir die Vision Zero nicht erreichen.

Der ADFC Berlin fordert daher: 

  • Eine Nachrüstpflicht für alle bestehenden Lkw.
  • Nicht deaktivierbare Abbiegeassistenten mit Kollisionserkennung.
  • Einen automatischen Not-Stopp, um zu verhindern, dass Unfallopfer nach einer Kollision vom Lkw mitgeschleift werden. Dies könnte den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen.

Weitere Hintergrundinformationen und ADFC-Forderungen sind in den verlinkten Beiträgen in der blauen Medienbox zu finden.

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