Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Landesverband Berlin e. V.

Schwerlastenrad der Marke Velogista

Velogista Schwerlastenrad © Velogista

Hindernisse auf der Strecke

2014 wurde Velogista als Genossenschaft und Hoffnungsträgerin für grüne City-Logistik gegründet. Aber das Unternehmen schaffte es in den vergangenen Jahren nicht in die Gewinnzone.

Eine Genossenschaft sollte es werden. Eine Wegbereiterin des klima- und umweltfreundlichen Transports. Gerade einmal sieben Jahre ist es her, dass einige Fahrrad-Enthusiasten zusammenkamen, um Velogista aus der Taufe zu heben. Sie wollten damit nicht nur einen umweltfreundlichen Fahrrad-Logistiker gründen, sondern ein soziales Unternehmen, das seine Mitarbeiter*innen fair bezahlt – keine Selbstverständlichkeit in der Branche. Start-Up, Umwelt-Idealismus, Genossenschaft, faire Bezahlung: Kann das gut gehen?


Von Anfang an muss die junge Genossenschaft viel Überzeugungsarbeit bei seinen Kunden leisten, denn ihre Transportkosten sind höher als bei der Sprit betriebenen Konkurrenz. Eine weitere Herausforderung ist das Herzstück des Geschäftsmodells: die besonderen Pedelec-Schwerlasträder, mit denen Euro-Paletten bis 200 Kilo transportiert werden können. Diesen Fahrradtypus gibt es noch nicht in Großserienfertigung. Die Anschaffung mehrerer Räder war nicht nur überdurchschnittlich teuer, die Modelle offenbarten im rauen Großstadteinsatz auch einige Kinderkrankheiten und hohen Verschleiß. So gerät die Genossenschaft früh in Zahlungsschwierigkeiten. Es finden sich Idealisten um das Gründungsmitglied Martin Seißler. Sie bieten an, als Gesellschafter Kapital zuzuschießen und Velogista in eine GmbH umzuwandeln. Seißler wird als Geschäftsführer bestellt, der kurz darauf von Wendt abgelöst wird. Die jüngste Entwicklung erfolgt im vergangenen Herbst. Martin Schmidt, dessen eigenes Unternehmen Cycle Logistics ebenfalls in der Lieferbranche tätig ist, übernimmt die Lastenräder, das Team und die Marke Velogista. Die GmbH wird abgewickelt. Ob die ehemaligen Gesellschafter bei dem Deal mit einem blauen Auge davongekommen sind, ist nicht bekannt, wohl aber, dass das Geschäftsmodell des Unternehmens bis dahin noch immer nicht tragfähig war. Velogista liefert ausschließlich auf der »letzten Meile« aus, vor allem Ökokisten, Pakete, Blumen und Zeitschriften. Als kleiner Anbieter unter großen Playern hat das Unternehmen es schwer.

»Es gibt einen gnadenlosen Preiskampf in der Logistikbranche. Die Stückpreise sind sehr niedrig«, sagt Oliver Kociolek. Er war lange Fahrer
bei Velogista und weiß, wo die Probleme liegen. Als Wettbewerbsverzerrung zugunsten der motorisierten Konkurrenz sieht er die Diesel-Subventionierung und das Lohndumping. Nachteile auf Seiten des Fahrradtransports seien Kopfsteinpflaster, zugeparkte Kreuzungen und zu lasche Bußgelder für Falschparker.


»Solange Unternehmen kostenfrei und jederzeit mit dreckigen Diesel-Lkw in die Städte hineinfahren können, wird sich wenig ändern«, sagt auch Stefan Langer, Experte für Fahrrad-Wirtschaft beim ADFC Berlin. Er beklagt, dass die klassischen Logistikunternehmen Schäden an Umwelt, Stadt und Menschen erzeugen, für die entstehenden Kosten aber nicht aufkommen.
Auf der anderen Seite fehlten Anreize für eine menschen- und umweltverträgliche Logistik ebenso wie ein konsistentes hochwertiges Radroutennetz. Hat Velogista unter diesen Rahmenbedingungen überhaupt eine Chance? Der neue Eigentümer Schmidt ist sicher, dass sich eine Trendwende abzeichnet. Greta Thunberg und ihre Bewegung hätten das Bewusstsein bei Unternehmen und Endkund*innen auch im Verkehrsbereich geschärft. Immer mehr Unternehmer*innen seien bereit, für einen grünen Transport per Rad mehr zu bezahlen. Es bleibt zu hoffen, dass die Trendwende noch rechtzeitig kommt und der Pionier nachhaltiger Stadtlogistik nicht vorher auf der Strecke bleibt.

Verwandte Themen

Sternfahrt 2024 - Radfahrende auf der Autobahn

Straße ist Gemeingut

Die Berliner Innenstadt autofrei? Was derzeit vor Gericht entschieden wird, betrifft nicht nur das Autofahren. Der ADFC…

Bessere Sicht und mehr Platz fürs Rad: Fahrradbügel an Kreuzungsecken

Sichere Kreuzungen durch mehr Fahrradstellplätze

Fahrradbügel an Kreuzungsecken: Eine einfache Maßnahme macht Kreuzungen sicherer und schafft gleichzeitig mehr Platz…

ADFC Berlin befragt Neumitglieder: Mehr Pop-Up-Radwege, bitte!

Wir haben unsere neuen Mitglieder befragt! Knapp 330 Menschen haben uns gesagt, was sie sich von uns als Verband und von…

Teilnehmende Podiumsdiskussion

Das Fahrrad gewinnt Wahlen: Erkenntnisse unseres radpolitischen Abends

Auf einer digitalen Podiumsdiskussion standen die beiden Mobilitätsexpertinnen Prof. Dr. Sophia Becker und Prof. Dr.…

ADFC-Sternfahrt: Das Fahrradhighlight des Jahres führt auch über die Autobahn

ADFC-Fahrradsternfahrt 2024: Rückblick und Wissenswertes

32.000 Radfahrerinnen und Radfahrer rollten am 2. Juni 2024 mit der 48. ADFC-Sternfahrt durch Berlin. Unter dem Motto…

Mahnwache 25.03.2022 am Knoten Falckensteinstraße/Schlesische Straße

25.03.2022: #VisionZero-Demo und Geisterrad-Mahnwache in Kreuzberg

Am 23.03.2022 verstarb ein 71-jähriger Radfahrer am Knoten Falckensteinstraße/Schlesische Straße an den Folgen einer…

Fahrsicherheitstraining im ADFC Berlin

Das FahrSicherheitsTraining des ADFC Berlin e.V.

Das FahrSicherheitsTraining des ADFC Berlin für Radfahrende mit und ohne Elektroantrieb.

Flaeming-Skate: Völlig von der Rolle

Wer im Winterhalbjahr mit Genuss radeln will, braucht guten Belag. Besseren als im Fläming gibt’s nirgends. Text und…

Erwachsene und Kinder auf Fahrrädern bei der Sternfahrt in Berlin

Kinderrouten Sternfahrt

Speziell für Kinder und deren Eltern gibt es zwei Familienrouten zur Sternfahrt am 1. Juni 2025. Hier können Klein und…

https://berlin.adfc.de/artikel/hindernisse-auf-der-strecke

Bleiben Sie in Kontakt