Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Landesverband Berlin e. V.

Pop-Up-Radweg am Halleschen Ufer

Pop-Up-Radweg Hallesches Ufer © ADFC Berlin / Frank Masurat

Radwege ploppen auf

In der Corona-Krise steigen immer mehr Menschen aufs Rad um. Einige Bezirke reagieren mit der Einrichtung von Pop-Up-Radwegen. Eine Revolution in der Verwaltung? Von Lisa Feitsch.

Eintausendsechshundert Kilometer Hauptverkehrsstraßen hat Berlin. Auf all denen soll, so sieht es das Mobilitätsgesetz seit Juli 2018 vor, Fahrradfahren sicher möglich sein. Auf ausreichend breiten Wegen, mit sicherem Abstand zu parkenden Autos. Seit genau zwei Jahren ist das gesetzlich festgeschrieben. Auf den Straßen Berlins ist davon jedoch bisher nur wenig zu sehen. Hier und da tut sich etwas, wie in der Holzmarktstraße in Mitte oder an der Hasenheide in Kreuzberg – ein kurzes Aufatmen beim entspannten Radfahren in einer ansonsten auf den Autoverkehr ausgerichteten Stadt. Schuld sind auch umständliche Planungsprozesse, langwierige Abstimmungen zwischen Bezirks- und Senatsverwaltung, lähmendes Behörden-Ping-Pong.

Rund zwanzig Kilometer Pop-Up-Radwege gibt es derzeit in Berlin. Eingerichtet in der Corona-Krise zum Abstandhalten und sicherem Fahren. Fast alle in Friedrichshain-Kreuzberg, dem ersten Bezirk, der in der Krise handelte. Mit jeweils ein bis zwei Straßen folgten Mitte, Pankow und Charlottenburg-Wilmersdorf. Auch Neukölln und Treptow-Köpenick haben inzwischen beschlossen, Pop-Up-Radwege einzurichten. In den weiteren Bezirken ist trotz offener Briefe und Protest der Bevölkerung nichts passiert.

Die längst beschlossene Verkehrswende liefert die Corona-Krise also nicht. Doch was sie liefert, ist ein völlig neues Verfahren bei der Planung und dem Bau von Radwegen. Denn plötzlich geht es schnell. Was sich bisher über Jahre erstreckte, ist auf einmal innerhalb weniger Tage möglich: Senat und Bezirk arbeiten flott zusammen. Eine Woche planen, umsetzen, auf der Straße nachbessern, dann verstetigen. In wenigen Schritten stehen über Nacht ein paar Baustellenbaken zum Schutz vor zu eng überholenden und falsch parkenden Kfz auf den Straßen, gelbe Striche markieren die neuen Radstreifen. Bis Ende des Jahres gilt die Anordnung der temporären Radwege.

Temporär in der derzeitigen Ausgestaltung, denn klar ist: Die Pop-Up-Radwege sollen in dauerhafte Radwege umgewandelt werden. Klar ist auch: An manchen Stellen muss noch deutlich nachgebessert werden. Was ebenfalls bleibt, ist ein effizientes, schnelles und kostensparendes Verfahren für Senat und Bezirke, Radwege einzurichten. Das Besondere dabei: Das Testen am lebenden Objekt Straßenraum. Statt Pläne auf Papier zu bannen, die es nie auf die Straße schaffen, werden Fragen jetzt da gelöst, wo sie entstehen: Wo braucht es einen weiteren Poller zum Schutz vor Falschparkern? Wo sind die neuen Radwege noch gar nicht breit genug, um sicheres Überholen zu ermöglichen? Wo ist ein Übergang für Menschen zu Fuß wichtig? Wo brauchen wir mehr Be- und Entladezonen?

Geht es leicht und flott in der Zusammenarbeit zwischen Bezirk und Senat, sind erste Erfolge schnell sichtbar. Radwege, die nicht viel kosten und kurzfristig dort aus dem Boden ploppen, wo sie dringend gebraucht werden – eine Win-Win-Situation für die Stadt, die Bezirke und die Menschen. Statt der Revolution auf der Straße, bringt die Gesundheitskrise also vielleicht die Revolution in die Verkehrsverwaltung.

Verwandte Themen

Autobahn GmbH und Radverkehr?

Seit Sommer 2023 sind in Berliner Grünflächen Schilder zu sehen, die Geh-/Radwege der Autobahn GmbH zuordnen. Was…

Kidical Mass in Potsdam am 18. September 2021

Kidical Mass 2021: Radeln für eine sichere Zukunft

Zum Kidical Mass-Aktionswochenende rollen die Kinder durch Brandenburgs Straßen – und setzen ein bitter nötiges Zeichen…

Aus raus, Leben rein. Paris, Wien, Madrid zeigen bereits: Wer den Kfz-Verkehr aktiv einschränkt, schafft mehr Lebensqualität für alle.

Abkehr von der autogerechten Stadt

Berlin muss die Stadt revitalisieren, indem es den Kfz-Verkehr reduziert und entschleunigt.

Die TVO: vierspurig und mitten durch den Wald? Nein, danke!

Der ADFC Berlin lehnt das aktuelle TVO-Vorhaben ab und setzt sich stattdessen für eine Nahverkehrstangente und damit für…

ADFC Berlin befragt Neumitglieder: Mehr Pop-Up-Radwege, bitte!

Wir haben unsere neuen Mitglieder befragt! Knapp 330 Menschen haben uns gesagt, was sie sich von uns als Verband und von…

Mobilitätsgesetz jetzt umsetzen! Der ADFC demonstriert für die Verkehrswende auf dem Globalen Klimastreik im März 2024

10+3 Forderungen des ADFC Berlin an den Senat

Was wir von der Regierung bis zum Ende der Legislatur 2026 erwarten.

Teilnehmende mit Abstand auf Fahrradstern 2020

Fahrradstern 2020: Radfahrende fordern mit Corona- Abstand mehr Platz fürs Rad

Radfahrende fordern mit Corona-Abstand auf knapp 60 km-langen Sternstrahlen „Mehr Platz Fürs Rad!“ - Zu der…

Kinder auf Fahrraddemo

Die Straßen den Kindern: Kidical Mass-Aktionswochenende am 14. / 15. Mai 2022

Am Aktionswochenende 14. & 15. Mai setzten wir mit bunten Fahrraddemos der KIDICAL MASS deutschlandweit ein Zeichen für…

Für eine verkehrssichere und lebenswerte Stadt brauchen wir Tempo 30 in ganz Berlin

Berlin braucht Tempo 30

Tempo 30 heißt Entschleunigung für mehr Verkehrssicherheit, Lebensqualität und ein besseres Miteinander im Verkehr.…

https://berlin.adfc.de/artikel/radwege-ploppen-auf

Bleiben Sie in Kontakt