Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Landesverband Berlin e. V.

Neubau der Schönhauser Allee Brücke 2027–2032

Auf einer der Hauptverkehrsadern in Pankow – der Schönhauser Allee – wird ab 2027 die Brücke über die Ringbahn abgerissen und neu gebaut. Während der Bauzeit kommt es zu Einschränkungen für alle Verkehrsteilnehmer:innen nicht nur für den Radverkehr.

Die im Alltag kaum wahrgenommene Brücke der Schönhauser Allee über die Ringbahn muss nach über 100 Jahren dringend erneuert werden. Schon seit einigen Jahren ist sie für Lkw über 16 Tonnen  gesperrt. Die Bundesstraße 96 a ist eine der Hauptverkehrsadern für den motorisierten Indivdualverkehr (MIV) in Pankow, dazu kommt: starker Radverkehr, Straßenbahn, der Umstieg zu U- und S-Bahn sowie eine intensive Nutzung durch zu Fuß Gehende. Der geplante „Ersatzneubau“ bis 2032 stellt eine große Herausforderung für Planung und Verwaltung, Baufirmen und alle betroffenen Verkehrsarten, also auch für alle Menschen dar.

Betroffen ist der Bereich zwischen Gleim-/Stargarder Straße und Wichert-/Schivelbeiner Straße. Ende 2025 wird mit Vorarbeiten für Leitungen der Versorgungsbetriebe begonnen (Bau einer temporären Brücke westlich der eigentlichen Brücke). Von 2027 bis 2032 erfolgt in mehreren Phasen der Abriss und Neubau der Brücken – zuerst des westlichen Teils, danach des östlichen Teils. Im Internet stellt „Überblick SenMVKU“ Inhalt, Ablauf und Verkehrskonzept genauer vor. Bei einer Informationsveranstaltung Ende April 2025 wurde die Bauplanung vorgestellt, wir informieren verkürzt über Verkehrsregelungen während der Bauzeit.

Grundsätzlich

Die Schönhauser Allee insgesamt bleibt (abgesehen von kurzzeitigen Sperrungen) für alle Verkehrsarten durchgehend nutzbar. Während die eine Brückenseite abgerissen und neu gebaut wird, wird der Verkehr in beiden Fahrtrichtungen über die andere Brückenseite geführt. Allerdings wird die Tram nicht durchfahren können.

Große Bereiche um die Baustelle herum werden für Baufahrzeuge oder Baumaterialien benötigt. Fußwege und der Zugang zu den Häusern sollen immer zugänglich sein, sind aber vielfach und jahrelang eingeschränkt. 

In einer Hinsicht wurden dabei die Prioritäten falsch gesetzt: In Situationen, wo die Interessen von Kraftverkehr und anderen Verkehrsarten konkurrieren, erhielt der Kraftverkehr im Zweifel Vorrang. Beispielsweise werden zwei Varianten zur Tram-Führung pauschal mit dem Vermerk „erhebliche Einschränkungen MIV“ abgelehnt (Präsentation S. 35). Diese Bevorzugung des Kraftverkehrs ist unangemessen. Der ÖPNV dient allen Menschen ohne Alternative im Verkehr und ist schon deshalb zu bevorzugen. Dem Kraftverkehr fallen Umleitungen (auch längere) grundsätzlich leichter als dem Rad- oder Fußverkehr in Bezug auf den zusätzlichen Zeit- und (Energie-)Aufwand; wenn es notwendig ist, muss der Kraftverkehr eher zurückstecken.

Radverkehr

Positiv ist: Nach der Fertigstellung wird der geschützte Radstreifen auch über die neu gebaute Brücke führen. Während der gesamten Bauzeit wird die Durchfahrt für Radfahrende immer möglich sein.

Gleichzeitig sind zwei negative Feststellungen nötig: Ebenso wie die bestehenden (Hochbord-)Radwege sind auch die Radwege und Radstreifen während der Bauzeit zwangsläufig zu schmal für den starken Radverkehr; Umfahrungen bieten sich an (westlich über den Mauerweg oder die Schönfließer Straße, östlich über Pappelallee oder Kollwitz- und Dunckerstraße).

Besonders schwierig ist die Führung unmittelbar an der Baustelle (in der Skizze beim Bau der westlichen Brücke mit der Umfahrung Richtung Süden über die östliche Brücke): Beim Wechsel der Fahrbahnseite und auf dem Brückenteil in der Gegenrichtung muss man durch einen schmalen Radweg (abgetrennt vom Kfz-Verkehr) fahren; durch die 90°-Winkel – zweimal vor der Baustelle, zweimal dahinter – wird mehrfaches Halten verlangt (Video ab 48:00 min, Präsentation Seite 38 f.). In dieser Form ist das für den Radverkehr unzumutbar; durch eine bessere Fahrbahnführung und Ampelschaltung muss sichergestellt werden, dass der Radverkehr gegenüber dem Kraftverkehr nicht benachteiligt wird.

 

Fußverkehr

Grundsätzlich sollen Fußgänger:innen immer an der Baustelle vorbeikommen, das gilt damit auch für das Umsteigen zwischen S-Bahn, U-Bahn und Tram sowie den Zugang zu allen Geschäften und Institutionen (Ärztehaus, Arkaden usw.). Aber neben der jeweiligen Baustelle wird der Mittelstreifen weitgehend gesperrt, sodass weite Umwege bis zur Wichert-/Schivelbeiner Straße und Gleim-/Stargarder Straße nötig werden. (Video ab 50:45 min, Präsentation Seite 40 f.)

Straßenbahn

Die BVG sieht keine Möglichkeit, die wichtige Linie M1 ohne Unterbrechung umzuleiten oder zusammen mit dem Kfz-Verkehr auf einer gemeinsamen Fahrbahn an der Baustelle vorbeizuführen. Stattdessen wird sie von der Innenstadt her bis an die Baustelle herangeführt; auf der Seite, an der gerade die Brücke gebaut wird, wird eine Endstelle eingerichtet; der nördliche Teil der M1 fährt über die Bornholmer Straße zur Björnsonstraße. Schienenersatzverkehr fährt in einer Schleife zwischen Schivelbeiner Straße und Bornholmer Straße. Die Fahrgäste müssen also zweimal umsteigen und etwa 250 m zwischen der provisorischen Endstelle und der Schivelbeiner Straße laufen. (Video ab 33:20 min, Präsentation Seite 25ff, 37) Das gilt für die gesamte Bauzeit, also etwa fünf Jahre (zusätzlich dreimal 6–8 Wochen Umbau der Endstelle). 

Die M1 ist zu wichtig, um sie für mehrere Jahre zu unterbrechen; anzustreben ist eine durchgehende Führung ohne Schienenersatzverkehr und Umsteigen. Dies wäre möglich mit Verschwenkung unter dem Viadukt (Gleim-/Stargarder Straße und Schivelbeiner/Wichertstraße) und durchgehend zweigleisiger Streckenführung auf der jeweils freien Brückenhälfte. Mit entsprechender Verkehrsregelung – Markierung von Sperrflächen und geeigneter Ampelschaltung vor dem Bereich der Baustelle – sollte der Vorrang des ÖPNV ermöglicht werden, ohne den Kraftverkehr mehr als nötig zu behindern.

S-Bahn und U-Bahn

Die Strecken von S-Bahn und Regional-/Fernverkehr werden grundsätzlich nicht verändert. Aber sie sind natürlich von den Bauarbeiten an den darüberliegenden Brücken betroffen. Mehrfach wird es zeitweise Sperrungen mit Schienenersatzverkehr geben.

Der Viadukt der Hochbahn steht zum Glück „auf eigenen Füßen“, nämlich auf eigenen Brückenpfeilern. Aber auch diese müssen erneuert werden; deshalb lassen sich Einschränkungen und Schienenersatzverkehr nicht vermeiden (dieser Teil der Planung ist noch nicht abgeschlossen).

Ein größeres Problem sind die Zugänge zu U-Bahn und S-Bahn. Der Verbindungstunnel wird neu gebaut und kann vermutlich während der gesamten Bauzeit nicht genutzt werden. Auch zwischen den Gehwegen und dem Mittelstreifen werden viele Verbindungen zeitweise unterbrochen; das Umsteigen ist zwar immer möglich, aber mit langen Umwegen verbunden.

Motorisierter Individualverkehr und Anwohnende

Seit Jahren hat sich gezeigt, dass für den Kfz-Verkehr ein Fahrstreifen je Richtung reicht, die Einschränkungen für den MIV sind also begrenzt. Nur Parken und Laden im Brückenbereich wird schwieriger.

Die Anwohner:innen in der Umgebung befürchten Umgehungsverkehr. Dem soll mit Einbahnstraßen (Einfahrverbote und Abbiegeregeln) begegnet werden. Die Planer:innen sichern zu, dass die Regeln bei Bedarf angepasst werden.

Zusammenfassung

Der Ersatzneubau der Brücke bringt für alle Betroffenen jahrelange Einschränkungen. Für die eine oder andere Frage wäre vermutlich eine bessere Lösung denkbar; insgesamt kann man allen beteiligten Planern (Verwaltung und externe Büros) guten Willen für ein umfassendes Konzept zugutehalten. 

Noch ist etwas Zeit, die unangemessene Bevorzugung des Kraftverkehrs zurückzunehmen und stattdessen die Verkehrsführung für ÖPNV und Radverkehr zu verbessern.

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https://berlin.adfc.de/artikel/neubau-der-schoenhauser-allee-bruecke-2027-2032

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