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Mobilitätsrat Reinickendorf © Carsten Schulz

Mobilitätsrat Reinickendorf vor Neuausrichtung ? Thema: „Grüner Gleisbogen"

Im Oktober 2024 fand in Reinickendorf wieder ein Mobilitätsrat statt.

Thema war „Grüner Gleisbogen – Industriebahnstrecke Tegel – Friedrichsfelde."

Verbesserungen für den Radverkehr würden aber mehr als 10 Jahre dauern.

Am 17. Oktober 2024 fand in Reinickendorf wieder ein Mobilitätsrat statt.

Wer mit diesem Begriff nichts anfangen kann: das Berliner Mobilitätsgesetz schreibt den Bezirken vor, dass für den Radverkehr und den Fußverkehr Beratungsgremien aus den zivilgesellschaftlich Handelnden zu bilden sind, welche das Bezirksamt zu Themen des Radverkehrs/Fußverkehrs beraten. („FahrRat, FußRat“). Die Wertschätzung dieser Gremien durch die zuständigen Stadträte ist in den Bezirken sehr unterschiedlich. Einige Stadträte sehen eine Beratung des Bezirksamtes durch ehrenamtlich engagierte Bürger eher als Einmischung und Belästigung an, andere schätzen die lokale Kenntnis und die Möglichkeit, auch mit kleinteiligen Maßnahmen Verbesserungen herbeizuführen. Mitunter wird kritisiert, dass diese Gremien den motorisierten Verkehr ausblenden und verschiedene Verkehrsarten gegeneinander ausspielen würden. Die CDU hat den Begriff des Mobilitätsrates „erfunden“, um in einem Gremium allen Verkehrsarten gemeinsam gerecht zu werden, und zugleich den gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen, ohne hierfür zwei getrennte Gremien zu haben. Daher haben wir in Reinickendorf einen Mobilitätsrat. Das Format kann aber nicht gleichzeitig die Detailliertheit für einzelne Maßnahmen und zugleich den Überblick über den gesamten Bezirk für alle Verkehrsarten gewährleisten. Der Mobilitätsrat kann sich dann nur mit ausgewählten einzelnen Projekten oder Aspekten beschäftigen. Ob das effizient ist und auf Dauer funktioniert, bleibt abzuwarten.

Unter der Zuständigkeit der Stadträtin Frau Schrod-Thiel gab es nunmehr drei sehr unterschiedliche Sitzungen des Mobilitätsrats, und gerade einer neuen Stadträtin wird man durchaus etwas Raum zum experimentieren und ausloten zugestehen müssen: so gab es erkennbar das Bemühen, stärker in den Bereich Beratung, Anregung und Austausch zu gelangen.

Während die Radverkehrsverbindungen im Bezirk in Nord-Süd-Richtung weitgehend durch die großen Hauptachsen der Straßen vorgegeben und für das Radverkehrsnetz inzwischen auch festgelegt sind, haben etliche Verbände -und auch der ADFC- immer wieder die Festlegung der Ost-West-Verbindungen angemahnt. Reinickendorf besteht aus drei Oberzentren: Tegel, Wittenau (mit Märkischem Viertel) und Reinickendorf (mit der Unterteilung Kurt-Schumacher-Platz und Residenzstraße). Die Verbindung Tegel-Kutschi ist mit der Scharnweberstraße, die Verbindung Wittenau-Kutschi mit der Ollenhauerstraße vorgezeichnet. Eine Verbindung Tegel-Wittenau fehlt, und eine Realisierung auf dem bestehenden Straßennetz wäre auch sehr anspruchsvoll. Der oft vorgetragene Vorschlag der Verbände war deshalb: Nutzung der alten Bahntrasse der „Industriebahn Tegel-Friedrichsfelde“. 
Die Strecke verbindet am Rande des Steinbergparks Tegel über Wittenau mit Lübars, sie ist eben, über weite Strecken kreuzungsfrei, und eine Errichtung müsste nicht zu Lasten von KFZ-Verkehr erfolgen.
So begann der Mobilitätsrat auch mit einer rd. 1 stündigen Fahrradtour, bei welcher Teile der Strecke abgefahren und die Lage im Gelände für alle Teilnehmenden anschaulich wurde. Anschließend trafen sich 22 Teilnehmende im Rathaus, hiervon 6 BVV-Mitglieder und 4 BA- Mitarbeiter.

Leider ist zu erwähnen, dass ein Rollstuhlfahrer, der die durchaus unwegsame Strecke noch gemeistert hat, dann aufgrund fehlender Barrierefreiheit im Bezirksamt an der Beratung nicht teilnehmen konnte.

Die Idee eines Radweges wurde lange mit „Planungsvorbehalt, vorgesehen für einen Wanderweg“ abgeblockt. Für viele überraschend wurde dann bekannt, dass seit vier Jahren unter dem Titel „Der grüne Gleisbogen“ an dem Projekt eines Fuß- und Radweges mit gleichzeitiger Biotop-Vernetzung auf oder nahe der alten Bahntrasse gearbeitet wird, und zwar seitens der Stadtplanung aus Reinickendorf (Frau Fuchs), aus Pankow sowie mehrerer Senatsverwaltungen. Frau Fuchs stellte dar, dass das Ziel eine ca. 22 km lange Verbindung von Tegel über Lübars und Pankow bis nach Lichtenberg sei. Vorrangig sei ein weiterer grüner Haupt- (Fuß)-Weg, Radverkehr sei an vielen Stellen sicherlich vorstellbar, aber einer durchgängigen vom Fußverkehr abgetrennten separaten Radverkehrsanlage stehe man eher skeptisch gegenüber: hierfür seien die vorhandenen Breiten zum Teil auch aufgrund inzwischen entstandener Biotope nicht ausreichend. Die große Herausforderung bestehe zudem darin, dass die Flächen weitgehend im Eigentum der Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) stehen und zu einem Teil verpachtet sind. Die NEB stelle sich als schwieriger Verhandlungspartner dar, die Realisierung des Projektes würde deutlich über 10 Jahre vermutlich eher 20 Jahre in Anspruch nehmen.

Eine längere Diskussion gab es dann noch zu der Querung der S-Bahntrasse im Bereich Wittenau: die Schwierigkeit aller Wegeführungen für den Rad- und Fußverkehr besteht bei der Kreuzung von Bahnanlagen, weil die vorhandenen Querschnitte meist zu klein sind, und über Jahrzehnte hier dem KFZ-Verkehr Vorrang eingeräumt wurde. Ein unschätzbarer Vorteil der Industriebahntrasse liegt daher in der bereits vorhandenen Unterführung der S-Bahnstrecke. Auch hierzu wurden wieder Bedenken geäußert: der vorhandene Durchlass sei zu schmal, die Tragfähigkeit der Überführung nicht gesichert, zudem sei die Weiterführung östlich der B96 nicht geklärt: entlang des Industriegebietes sei zwar das Nutzungsrecht für einen 3m breiten Streifen gesichert, aber dieser ließe eine sichere Führung von Rad- und Fußverkehr nicht zu.

Weiterhin wurde diskutiert, ob man anstreben soll, die Strecke in das Vorrangnetz des Berliner Radverkehrsplanes aufzunehmen: dem widersetzte sich vor allem die Verwaltung mit dem Hinweis, dass die hierfür vorgesehenen Standards wohl nicht einzuhalten seien. Die Teilnehmer wiesen darauf hin, dass ein Abweichen von Standards insbesondere in Grünanlagen wie dem Steinbergpark vom Gesetz ausdrücklich vorgesehen sei, und dass Finanzierungen nur für Strecken des Vorrangnetzes erfolgen.

Insgesamt befürwortete der Mobilitätsrat die Idee einer durchgehenden Trasse für Rad-  und Fußverkehr von Tegel bis (zunächst) Wittenau auf der Industriebahntrasse, trotz der bestehenden Herausforderungen und des sehr langen Planungshorizontes.

Die Mitarbeiter des BA sagten zu, das Votum sowie die diversen Anregungen für die Planung mitzunehmen und über den Fortgang zu berichten, und die Stadträtin versprach, die Diskussion im Verkehrsausschuss fortzuführen.

Unsere Einschätzung: das Projekt hat einen sehr langen Zeitbedarf. Ob es tatsächlich realisiert wird, ist keineswegs sicher. Für die Erfüllung des Mobilitätsgesetzes -das Radverkehrsnetz soll bis zum Jahr 2030 hergestellt werden- kommt es in jedem Fall zu spät. Einen Durchbruch oder die Verkehrswende kann man hier sicherlich nicht feiern. Aber es ist immerhin ein erster Schritt für diese Idee.

Positiv zu vermerken ist, dass es offenbar mehr Bereitschaft zu einem regelmäßigen und konstruktiven Austausch gibt: so ist der Termin für den nächsten Mobilitätsrat am 3. April 2025 gleich mitgeteilt worden. Besucht werden soll der Verband der Automobilindustrie. Ganz offensichtlich versucht die Stadträtin, alle Verkehrsarten zum Zuge kommen zu lassen.
Der gesetzliche Auftrag für den FahrRat lautet: „In den Bezirken sollen bezirkliche FahrRäte das zuständige Bezirksamt beraten…. Größere Radverkehrsmaßnahmen in den Bezirken werden mit den bezirklichen Fahrräten beraten.“ Im Bereich des Fußverkehrs gehörten hierzu auch Fragen zu der Schulwegsicherheit. Kann der Mobilitätsrat mit zwei Tagungen im Jahr diesen gesetzlichen Aufgaben nachkommen: unserer Ansicht nach nicht, da die Anzahl der Teilnehmenden zu hoch, die Aufgaben zu groß und das Spektrum zu breit ist. Die gesetzlich vorgesehene Einrichtung von zwei getrennten Gremien war sicher wohl bedacht. Aber mehr als zwei Sitzungen pro Jahr für alle Verkehrsarten sind bei den Kapazitäten im Bezirksamt wohl nicht zu machen. Immerhin sehen wir das Bemühen um den konstruktiven Austausch, das ist zumindest eine Basis für eine Fortentwicklung.

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