Fahrradparken am Bahnhof Eberswalde

Fahrradparken am Bahnhof Eberswalde © ADFC Eberswalde

Mit Rad und Bahn: Pendeln für die Verkehrswende

Immer mehr Menschen pendeln zwischen Berlin und Brandenburg. Statt Verkehrskollaps und Autostau, wollen die Länder auf klimafreundliches Pendeln setzen.

Bevor Frank Neumann auf sein Fahrrad steigt, krempelt er seine Hose über die Socken und zieht seine Fahrrad­handschuhe über. Neumann schwingt das rechte Bein über den Ge­päck­träger und fährt los in Richtung Bahn­hof. Seine Route führt am Fi­nowkanal in Eberswalde entlang. Drei Kilometer sind es, die Neumanns Rei­henhaus vom Bahnhof trennen. Von dort geht es meist nach Berlin, oft ohne Rad.

Im Juli haben die Berliner Verkehrssenatorin Regine Günther und der Brandenburger Verkehrsminister Guido Beermann eine gemeinsame Absichtser­klärung unterzeichnet, die das Fahrradparken erleichtern soll. Sie betonen dabei ein strategisches Vorgehen und eine gemeinsame Finanzierung. Regine Günther sagt dazu: »Mit der neuen Kooperation intensivieren wir die Zusammenarbeit mit Brandenburg, um die ge­samte Metropolregion klima- und um­weltfreundlicher sowie sicherer zu ge­stalten.« Sowohl in Berlin als auch in Bran­denburg sollen bis 2030 endlich mehr Stellplätze für Fahrräder entstehen – eine langjährige ADFC-Forderung.

Im Fokus sollen dabei Berufspendler*innen stehen. In Berlin arbeiteten 2019 laut dpa 334 800 Beschäftigte, die in Brandenburg leben. Das bedeutet, all diese Men­­schen sind fast täglich unterwegs, um in die Hauptstadt zu pendeln. Um die Stadt vor Stau, schlechter Luft und klimaschädlichen Abgasen zu schützen, muss ein gutes Angebot die Pendler*innen einladen, vom Auto auf das Rad und in die Bahn umzusteigen. Günther hofft, dass »die vielen Pendlerinnen und Pendler an den stark genutzten Bahnhöfen auf den ÖPNV umsteigen, um gar nicht erst mit dem Pkw nach Berlin reinzufahren.« Dazu muss natürlich das Angebot stimmen. Und die Mö­glichkeit da sein, gut mit dem Rad zum Bahnhof zu gelangen und dort sicher das Rad abzustellen.
Neumann weiß, wo er anhalten möc­hte. Er ist 66 Jahre alt, trägt Halbglatze und einen grauen Pulli zur beigen Hose. Aktiv ist er im Naturschutzbund und dem ADFC. Die meiste Zeit seines Lebens hat er in Eberswalde verbracht, er kennt sich aus. Neumann könnte auch einen anderen Weg zum Bahnhof nehmen – der liegt allerdings nicht direkt am Wasser. »Das ist Natur pur!«, schwärmt er. Oft hat Neumann genug Platz zum Fahren, an anderen Stellen teilen sich Fahrradfahrende einen schma­len Radweg mit zu Fuß Gehenden. Neumann lenkt seinen Blick immer wieder auf Schleusen und Gebäude am Wegesrand.

Angekommen am Bahnhof, blickt er auf etwa hundert Fahrradbügel, die meisten von ihnen sind belegt. »Dass da jetzt welche frei sind, kann ich mir nur dadurch erklären, dass gerade Corona ist und die Leute im Home Office sind«, sagt er. Neumann schließt sein Fahrrad an und geht zum zukünftigen Fahrradparkhaus. Fährt Neumann nach Berlin, nimmt er oft das Rad bis zum Bahnhof, um dort in den Zug zu steigen. Einen freien Fahrradabstellplatz findet er dann jedoch selten.

Derzeit lässt die Stadt Eberswalde ein Fahrradparkhaus mit 604 Stellplätzen bauen. Auf zwei Etagen soll es dort ab nächstem Jahr Fahrradboxen, Fahrradbügel, Doppelstockparker sowie Stell­­­plätze für Lastenfahrräder geben. Das Dach wird begrünt und eine Photovoltaikanlage soll für den Strom sorgen. Bei der Planung bezieht die Stadt auch die Empfehlungen für Radabstell­anlagen des ADFC ein.

Im vergangenen August veröffentlichte der Verkehrsverbund Berlin-Bran­­denburg (VBB) ein Gutachten zum Bedarf an Bike-and-Ride- (B+R) sowie Park-and-Ride-Anlagen (P+R) im Land Brandenburg. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Fahrgastzahl zunehmen wird und so auch der Bedarf an Stellplätzen für Autos und Fahrräder bis 2030 deutlich steigen wird.­ Will man die Pendler*innenströme klimafreundlich lenken, muss man die kombinierte Nutzung von Rad und Bahn fördern und hierfür komfortable Rahmenbedingungen schaffen. Dazu ge­­hört auch der Bau von sicheren Rad­ab­stellanlagen.
Das Brandenburger Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung (MIL) plant, dass bis 2030 in Brandenburg 21.500 Fahrradstellplätze sowie 8.800 Pkw-Stellplätze für Park and Ride entstehen und erweitert werden – letzte­re sind Stellplätze, die an Bushaltestellen und Bahnhöfen liegen.
Das erste Fahrradparkhaus in der Region entstand 2013 in Bernau. 2016 entstand am Potsdamer Hauptbahnhof sogar eine Radstation. Wie sieht es in Berlin aus? Auch wer in Berlin ankommt oder aufbricht, braucht Möglichkeiten, das Rad sicher an Verkehrs­noten­punkten abzustellen.
 Das Berliner Mobilitätsgesetz sieht vor, dass bis 2023 Fahrradparkhäuser entstehen müssen. Wo, ist noch unklar: Das landeseigene Unternehmen Infravelo ist vom Senat beauftragt, Analysen anzufertigen, um Standorte zu finden und Fahrradparkplätze zu planen. Bislang wurde der Bedarf von 160 Berliner Haltestellen geprüft. 38.000 Stellplätze fehlen dort, insbesondere an Bahnhöfen wie der Friedrichstraße oder dem Süd­­kreuz.
»Wir prüfen mit Senat und den Bezirken vor Ort die Eigentumsverhältnisse, den Denkmalschutz und die In­teres­sen«, sagt Infravelo-­Presse­spre­che­rin Alexandra Hensel. »Viele Flä­chen, die von außen verfügbar er­schei­nen, sind be­reits für andere Nutz­ungs­zwecke vorgesehen.« Wenn Stell­plätze für 500 Fahr­räder und mehr benötigt werden, kommt der Bau eines Fahrradparkhauses infrage. »Am Berliner Ostkreuz kön­­nte ein Parkhaus mit bis zu 1.700 Fahr­radstellplätzen entstehen«, sagt Hensel. Noch ist davon jedoch nichts zu sehen in Berlin.

Neben dem Bau von Fahrradparkanlagen gibt es noch weitere Verbesserungen, die die kombinierte Nutzung von Rad und Bahn attraktiver machen würden. Würde Frank Neumann nach seiner Eberswalder Radtour an den Bahnhof heute in den Zug steigen, würde er bemerken, dass es dort kein WLAN gibt, das ihn bis nach Berlin unterstützt. Wer seinen Arbeitstag schon im Zug beginnen möchte, muss sich also gedulden. Auch hier gibt es Potential. »Ich bin der Auffassung, dass ein funktionsfähiges WLAN auch zur Grund­­versorgung im Regionalbahnverkehr gehört«, sagt Susanne Henckel, Ge­schäftsführerin des VBB. »Ein gro­ßer Schritt im VBB-Gebiet ist mit der Umsetzung im Netz Elbe-Spree ab 2022 die Ausstattung mit den entsprechenden technischen Möglichkeiten.« Für die S-Bahn sei WLAN op­tio­nal nach­­rüstbar. Hier verlässt sich die VBB-Chefin auch auf das mobile Netz, das in der S-Bahn gut zu empfangen sei. Dennoch: „Der Nukleus“, sagt sie, seien die Abstellanlangen für Fahrräder (siehe Interview S. 5). Der ADFC fordert seit langem, dass Fahrradparkhäuser als bewachte Radstationen eingerichtet wer­­den, die auch Service-Angebote wie etwa Werkstätten enthalten.
Käte Tavernier, Ortsvorsitzende des ADFC Eberswalde, sieht das ähnlich. Sie wünscht sich weitere Fahrradparkhäuser in Eberswalde: »Auch im Zentrum wäre das sinnvoll. Falls Touristen unterwegs sind, könnten sie dort ihr Fahrrad mit Packtaschen abstellen.“ Wichtig sei, so Tavernier, dass das Fahrradparkhaus ebenerdig ist, dann muss man nicht alles die Kellertreppe runtertragen«, sagt Tavernier. Auch die Wege, auf denen die Menschen auf dem Rad oder zu Fuß ins Zentrum und zum Bahn­hof gelangen, bräuchten hier und da Ausbesserungen. Auf das Fahrradparkhaus am Bahnhof in Eberswalde war­tet nicht nur Frank Neumann. Auch Tavernier freut sich darauf: »Wenn man sein Fahrrad abstellt, muss es auch sicher sein«, sagt sie. Ein wichtiger Schritt Richtung Verkehrswende.

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