Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Landesverband Berlin e. V.

Der Drei-Brüder-Felsen ist ein tief im Wald verstecktes Highlight auf 866 Metern Höhe.

Der Drei-Brüder-Felsen ist ein tief im Wald verstecktes Highlight auf 866 Metern Höhe. © Stefan Jacobs

Tourentipp: Fichtelgebirge - Ein Hoch aufs gute Mittelmaß

Rund um den Ochsenkopf lassen sich oberfränkische Gelassenheit und Köstlichkeiten genießen – in entspannter Atmosphäre, elektrisch unterstützt

Der Gegenverkehr grinst. Kein Wunder bei dem wunderbar glatten Asphaltband, das neben dem plätschernden Weißen Main durch den Fichtenwald talwärts führt. Talwärts für den Gegenverkehr. Zehn Kilometer bergab auf einer ehemaligen Bahntrasse. Oder eben bergauf, wenn man auf der Anreise ins Fichtelgebirge ist, das gerade noch in Reichweite für ein verlängertes Radelwochen ende liegt. Los ging's in Kulmbach, dessen hübsches Zentrum leider von riesigen Bierfahnen – also aus Stoff, nicht aus Geruch – verdeckt wurde. Hier ist Bierfranken.

Durch Flussauen ging's auf dem Mainradwegflussaufwärts mit einer Rast in der „Baille-Maille-Allee“. Die doppelreihige Lindenallee galt im 18. Jahrhundert als die schönste in Europa – bis preußische Soldaten sie 1792 abholzten. Ab 1986 wurde sie neu gepflanzt und ist nun ein Idyll mit zauberhafter Atmosphäre. Bis Bad Berneck war das Tal weit, aber dann rückten die Berge zusammen, und der gar nicht steile, aber lange Anstieg nach Bischofsgrün begann. Der 600 Meter hoch gelegene Ort bildet das Rad- und Fußwanderzentrum der Ochsen kopf-Region rund um den zweit höchsten Berg des Fichtelgebirges in Oberfranken.

Morgens, während sich Waltraud und Mariechen für den Dreh aufbrezeln, geht’s mit dem Rad das kurze Stück zur Seilbahn, die einen neuerdings samt Fahrrad auf den Ochsenkopfgipfel bringt. Klingt zu schön, um wahr zu sein? Ist es auch: Ein nächtliches Gewitter hat die Bahn lahmgelegt; statt Gondeln hängt nun das Personal in der Luft. Halb so wild, denn breite Waldwege führen auf halber Höhe auf die andere Seite des Gipfels. Durch intakten Fichtenwald mit leuchtend pinken Fingerhüten geht’s nach Fleckl zum Bullhead House. Das hat der Chef Peter Hanke seit 2008 sukzessive zum Event-Zentrum mit MTB-Trainingsparcours, Gasthaus und Teambuilding-Quartier ausgebaut. Im Sommer dominiert das Mountainbike-Mietgeschäft – selbstredend mit E-MTBs von Cube, denn der Fahrradhersteller aus dem nahen Waldershof ist einer der größten Arbeitgeber der Region. Wo, wenn nicht hier, sollte man dem eigenen Biobike eine  Pause gönnen und eine solche Maschine ausprobieren?
Eine Mordsgaudi ist das! Von Fleckl aus biegt man einfach in den nächstbesten Waldweg ein und lässt sich überraschen, ob es ein breiter Forstweg bleibt oder ein Pfad für den eher wilden Ritt wird. Dank der vielen Wege verteilt sich der Andrang, sodass man kaum Wanderer:innen behelligt. Nach Lust und Laune kurbelt man sich unter leisem Motorsummen mit Tempo 23 bergauf, federt über faustgroße Steine und verteilt Adrenalin im Wald, der sich mit Schlammspritzern revanchiert. Kampflos glücklich ist der Ochsenkopfgipfel mit Aussichtsturm und Gasthaus erreicht. 

Ein paar Weggabelungen weiter geht’s zur Quelle des Weißmains, der als eiskaltes Rinnsal aus den Felsen perlt. Noch ein paar wilde Hüpfer entfernt stehen die Weißmainfelsen wie Festungsmauern im Wald. Von oben schaut man weit ins Land – westwärts eher in flachere Gefilde und nach Nordosten zum Schneeberg, dem mit 1.051 Metern höchsten Fichtelgebirgsgipfel. Der war während des Kalten Krieges Militärgebiet und ist touristisch etwas ab vom Schuss, wie sich später am Tag erweisen wird – nach einer munteren Abfahrt zum Fichtelsee mit Badestelle, Tretbootverleih und natürlich einem Gasthaus. Danach ging es wieder hoch, mit noch halbvollem Akku auf dem Schneeberg angekommen, die Ruhe genossen und dann über Stock und Stein nach Schönlind gebolzt. Ein Schild mit der Aufschrift „Birken hof – Fränkische Küche“ weist den Weg. Am Nachmittag gibt’s nur die Brotzeitkarte, sagt bedauernd der Wirt, der so entspannt und freundlich ist wie bisher alle hier. 

Die Brotzeitkarte erweist sich als Liste kalter und warmer Köstlichkeiten zu sehr zivilen Preisen. Nach einer Portion Käse spätzle mit Salat geht’s glücklich zurück zum Bullhead House. Und mit dem ungewohnt schwergängigen Biobike wieder nach Bischofsgrün.

Nach dem Offroad-Abenteuer steht eine muskelgepowerte Tagestour an, die dank der reparierten Seilbahn auf dem Ochsenkopf beginnt und auf einem weiteren Bahntrassenweg an der Fichtelnaab bergab durch wunderbaren Nadelwald bis an die Grenze zur Oberpfalz führt. Auf Radwegen und ruhigen Landstraßen geht’s über bescheidene Dörfer und offenes Hügelland nordwärts nach Weißenstadt, wo die junge Eger zu einem See gestaut ist. An dessen Ufer kann man sich bei einem Eis der Urlaubslaune hingeben. Der durch den Wald beschilderte Rückweg nach Bischofsgrün erweist sich ohne Motor als harter Kampf gegen die Schwerkraft.

Etwas leichter, dank durchweg gutem Belag, geht’s am letzten Tag über Warmensteinach nach Bayreuth. Nach einer Runde durch die prächtige Altstadt wird es Zeit für den Zug heimwärts. Während das freundliche Oberfranken vorüberzieht, hallt im Kopf die Geschichte nach, die Hotelchef Thomas Puchtler am Morgen erzählt hat: Franken sei auch deshalb so entspannt, weil man sich mit dem Vorhandenen zufriedengebe und niemand der Wichtigste sein müsse. Neulich habe ihm in Berlin ein Radfahrer aufs Auto gehauen, weil er beim Abbiegen mit dem Heck auf dem Radweg stand, um noch Fußgänger:innen durchzulassen. Da habe er sich sehr auf die Heimat gefreut.

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https://berlin.adfc.de/artikel/fichtelgebirge-ein-hoch-aufs-gute-mittelmass

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