Vier Stimmen des ADFC Berlin

Vier Stimmen des ADFC Berlin © ADFC Berlin

Vier Stimmen des ADFC Berlin

Der ADFC Berlin lebt von seinen Mitgliedern, seinen ehrenamtlich Engagierten und Mitstreiter*innen. Vier von ihnen berichten, warum sie dabei sind, was sie machen und was sie beschäftigt.

Benjamin Bös
Benjamin Bös © ADFC / Dirk Deckbar

„Mir ist es wichtig, einen Ort der Trauer und Mahnung zu schaffen.“

Ich bin ein Umsteiger. Vorher habe ich viel Car-Sharing-Autos benutzt. Bis ich feststellte, dass mir die Bewegung fehlt und es ins Geld geht. Also rauf aufs Rad. Über Twitter landete ich dann bei der Critical Mass und schließlich bei meiner ersten Geisterrad-Mahnwache, für Bernd Wissmann am Savignyplatz. Dort haben sich die Leute mit ihren Rädern auf den Boden gelegt, das war sehr bewegend. Von da an war ich bei fast allen Geisterrad-Aufstellungen dabei, übernahm immer öfter den Transport der weißen Geisterräder zum Ort des Unfalles und beteiligte mich an der Organisation der Mahnwachen und der Vision-Zero-Demos. Mir ist es wichtig, den Angehörigen und Freunden einen Ort der Trauer und gleichzeitig einen Ort der Mahnung zu schaffen. Ich erinnere mich gut an das Geisterrad für einen Fahrradkurier. Freunde legen dort regelmäßig Blumen ab und hängen Lichterketten auf. Irgendwann drückten mir Mitglieder vom Geisterrad-Team einen Antrag für die ADFC-Einstiegsmitgliedschaft in die Hand und 20 Euro für das erste Jahr. Wer hätte da nein sagen können? Inzwischen mache ich auch beim Demo-Team mit: Demos anzeigen, Ordner*innen organisieren, Sound-Anlage bereitstellen und auch mal eine Rede halten. Es ist wichtig, dass man als Verband nicht nur kritisiert, man braucht auch eine Außenwirkung, damit die Menschen mitziehen.

Benjamin Bös, 32 Jahre, Student der Elektrotechnik

Nicole Rosanowske
Nicole Rosanowske © Karl Grünberg

„Meine Freundin sagt immer, mein Fahrrad sei ein Teil von mir.“

Tatsächlich ist mein Rad mehr als nur ein Transportmittel. Ich sitze auf meinem Rad und es fühlt sich gut an. Zwar habe ich auch ein BVG-Ticket, aber eigentlich fahre ich das ganze Jahr über Rad. Den ADFC Berlin habe ich auf einer Fahrradmesse gesehen und bin spontan Mitglied geworden – denn wenn die Autofahrer*innen einen ADAC haben, brauchen wir Radfahrer*innen einen ADFC, der für unsere Rechte eintritt.

Fünf Jahre war ich lediglich zahlendes Mitglied. Als vor zwei Jahren der Aufruf kam, ob nicht Leute mit Flotte-Lastenrädern am CSD teilnehmen wollen, war ich gleich mit dabei. Das war auch der Anfang des queeren Netzwerkes innerhalb des ADFC Berlin.

Wir sind mit unseren Regenbogenflaggen bei den ADFC-Demos dabei und organisieren bis zu zwölf queere Radtouren im Jahr. Das sind eigentlich ganz normale Radtouren, die aber vor allem ein queeres Publikum ansprechen sollen. Im Grunde geht es um einen Schutzraum, in dem sich niemand outen muss, sondern genauso richtig ist, wie er oder sie ist. Niemand muss sich erklären und das ist auch gut so.

Ich finde es schön, wenn da 20 bis 30 Menschen teilnehmen und in der Community unterwegs sind und wir während der Pausen entspannt beisammensitzen und ein Gemeinschaftsgefühl entsteht und uns gespiegelt wird, dass die Menschen auch wegen der Atmosphäre wiederkommen.

Nicole Rosanowske, 45 Jahre, Verwaltungsinspektorin, Mitglied des Queer-Netzwerkes des ADFC Berlin.

Beate Flanz
Beate Flanz © Karl Grünberg

„Ich wünsche mir mein altes Leben zurück.“

Das erste Mal Kontakt mit dem ADFC Berlin hatte ich bei einer geführten Fahrradtour. 2008 war das. Es sollte von Spandau zum Stechlinsee gehen, gute 90 Kilometer. Ich kam in Sommerkleidchen und Flip-Flops. Alle anderen waren mit hautenger Fahrradmontur bekleidet und mindestens 20 Jahre älter als ich. „Ach du grüne Neune“, dachte ich. Günther, der damalige Tourenleiter, sah mich und dachte ebenfalls: „Ob das was wird?“ Die Fahrt zum Stechlinsee war toll. Ich habe gleich eine Freundin zum Reden gefunden. Von da an bin ich immer wieder mitgefahren, bis ich irgendwann eigene Touren mit Fotografie und Qigong-Schwerpunkt angeboten habe.

Mit dem ADFC ist das Fahrradfahren für mich auch politisch geworden. Auf meiner ersten ADFC-Sternfahrt habe ich gesehen, wie viele wir sind und wie mächtig wir darin sein könnten. Mächtig im Sinne, dass wir uns für unsere Rechte als Radfahrende einsetzen.

Mein Leben war gut so, wie es war. Mein schwarzes Fahrrad und ich waren ein Herz und eine Seele. 25 Jahre hatte ich es schon, habe es immer wieder reparieren lassen, bis mein Fahrrad und ich am 25. Oktober 2017 von einem Sattelschlepper überrollt wurden. Elf Monate lag ich im Krankenhaus. Ich wusste nur eins, ich wollte wieder Radfahren. Doch wie? Ein Bein amputiert, eine Hand ohne Kraft, die rechte Gesichtshälfte gelähmt. Eine Trike-Spezialkonstruktion mit E-Antrieb macht es möglich. Damit bin ich unter Aufbietung meiner ganzen Willenskraft sogar über die Alpen gefahren.

Auch wenn das gut klingt, wünsche ich mir um alles in der Welt mein altes Leben zurück. Auch wenn ich beim Verkehrsminister war, in Talkshows saß, mit Journalisten sprach, werden wir Opfer von Verkehrsunfällen am Ende allein gelassen, emotional aber auch finanziell. Das muss sich ändern.

Ich freue mich schon sehr darauf, nächstes Jahr wieder Fahrradtouren anzubieten.

Beate Flanz, 53 Jahre, früher Sachbearbeiterin bei einer Behörde, ADFC-Tourenleiterin.

Tilman Bracher steht mit seinem schwarzem Fahrrad an einem Radweg.
Tilman Bracher © Karl Grünberg

„Unser Ziel: Das Fahrrad sollte ein normales Verkehrsmittel werden.“

Als ich Anfang der 1980er nach Berlin kam, gab es genau 13 zahlende ADFC-Mitglieder in der Stadt und auch sonst stand es nicht gut um das Fahrrad: kaum Räder auf der Straße; Radwege noch aus Vorkriegszeiten, die dann auch noch benutzungspflichtig waren; oder die ständige Gefahr, von einer sich öffnenden Autotür erwischt zu werden. Am ersten Juni-Wochenende war meine erste Sternfahrt, organisiert von den Grünen Radlern. Hunderte Radler*innen protestierten gegen den Ausbau der Stadtautobahn. Einen Berliner ADFC gab es aber noch nicht.

Doch das sollte sich ändern, als sich 1983 ein bunter Haufen aus Schülern, Zugezogenen und einheimischen Westberlinern im Nebenzimmer eines Cafés am Ku‘damm traf, einen Verein gründete und auch Vorstände wählte. Unsere Ziele: Das Fahrrad sollte ein normales Verkehrsmittel werden; Kinder mit dem Rad zur Schule fahren dürfen, was an vielen Schulen verboten war; Ausflüge mit dem Rad, so wie früher, sollten wieder möglich sein.

Einmal die Woche traf sich der Vorstand zum Stammtisch, einmal im Monat alle Mitglieder. Jedes zweite Wochenende waren wir mit einem Infostand bei einem anderen Straßenfest, boten Fahrradreparaturen an, hatten Aufkleber dabei: „Parke nicht auf unseren Wegen.“ Und wir diskutierten natürlich mit Menschen, die vor allem Platz für ihr Auto erhalten wollten.

Ich erinnere mich noch, wie ich das erste Mal zu einem Interview beim SFB eingeladen wurde. Ich freute mich: Endlich konnte ich der breiten Öffentlichkeit berichten, warum Radfahren gut ist, warum der Radverkehr mehr Rechte braucht. Stattdessen traf ich auf den legendären SFB-Moderator Harald Karas, der nur auf Konflikte aus war. Warum zahlen Radfahrer keine Steuern? Warum halten sich Radfahrende nicht an Regeln?

Auch wenn ich zerlegt wurde, zeigte das Interview, dass wir gehört wurden. Wir kümmerten uns um die Fahrradmitnahme in der S-Bahn, machten Aktionen nach tödlichen Unfällen. Neben meiner Arbeit als Verkehrswissenschaftler war ich mit 30 Stunden pro Woche ehrenamtlich für den ADFC in West-Berlin und im Bundesvorstand. ADFC tätig. Irgendwann hatten wir in Berlin 200 Mitglieder, dann 1.000, träumten von 10.000.

Tilmann Bracher, 68 Jahre, Verkehrswissenschaftler, Gründungsmitglied und der erste Vorsitzende des ADFC Berlin

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