Die Schleusen- und Stauwehranlage Amerongen.

Rhein niederländisch

Manche Väter haben viele Kinder. Väterchen Rhein zum Beispiel. Der verlässt Deutschland kurz hinter Kleve kommentarlos, um einfach weiter durch die Niederlande zu fließen.

Nur seinen Namen wirft unser Vater im Grenzbereich ab, spaltet sich in ein breites Delta und wird fortan „Nederrijn“, „Lek“ und „Waal“ genannt – und sorgt für wunderschöne Radfahrstrecken. TEXT UND FOTOS VON KERSTIN E. FINKELSTEIN

Eigentlich ungerecht, möchte man meinen. Die Niederländer sind ja ohnehin schon bekannt für kompetente Verkehrspolitik: Während hierzulande noch darüber diskutiert wird, ob die städtische Infrastruktur wohl zusammenbricht, wenn man einen Parkplatz zum Stellplatz für sechs Fahrräder umwidmet, legen die Niederländer Radschnellwege, Radparkhäuser und grüne Radwellen an.

Und nun haben sie also auch noch etwas Neues für Touristen zu bieten – neben diesem sich langsam gen Nordsee schlängelnden Fluss, der auf große Höhen-unterschiede verzichtet und stattdessen Blicke über endlose Weiden und verästelte Nebengewässer bietet, verläuft der EuroVelo Radweg 15. Und bietet dem interessierten Radfahrer das ungewöhnliche Vergnügen, unter Wasser unterwegs zu sein: Etwa die Hälfte der Niederlande liegt weniger als einen Meter über dem Meeresspiegel, rund ein Viertel sogar darunter. Der Kampf gegen das Wasser lässt sich unterwegs erstmals an der Schleusen- und Stauwehranlage Amerongen beobachten, dem so genannten Wasserhahn der Niederlande. 1966 in Betrieb genommen, besteht die Anlage aus einer Schleuse, den Stauwehren und einem Wasserkraftwerk – und hat vor allem die Aufgabe, den Stand des Nederrijns konstant zu halten.

Flüsse treten auch anderswo über die Ufer, nur in den Niederlanden jedoch kämpft man schon seit Jahrhunderten sogar gegen das Meer. Historische Reminiszenz aus dieser Zeit ist Kinderdijk, ein kleiner Ort etwa 15 Kilometer südöstlich von Rotterdam. Neunzehn mehr als 250 Jahre alte Windmühlen stehen hier aufgereiht am Rande des Radweges und bieten jedem nach Holland-Klischee suchend en Fotografen reichlich Kulisse. Ursprünglich handelte es sich bei den malerischen Bauten um Windpumpen, die dazu dienten, das einsickernde Wasser aus den Poldern abzupumpen, um so den Boden landwirtschaftlich nutzbar zu machen. Heutzutage haben Elektropumpen die Arbeit der Mühlen übernommen.

Seit 1997 in die UNESCO-Liste des Welterbes aufgenommen, sind die meisten der ursprünglichen Mühlen inzwischen zu Eigenheimen umfunktioniert. Eine jedoch ist auch für den Durchreisenden zu betreten: Das Museum Kinderdijk bietet nicht nur eine 360 Grad-Filmshow über den bereits Jahrhunderte währenden Kampf gegen das Meer, der die Niederländer heutzutage zu weltweiten Deich- und Wasserkraftwerkexperten gemacht hat. Der Besucher erfährt auch, wie Windmühlen früher die Kommunikation förderten: Hatte sich etwa eine Hochzeit ereignet oder brauchte man einen Arzt, wurden die Blätter der jeweils den kommunikativen Ton angebenden Windmühle entsprechend positioniert. Aus der Ferne war das Signal gut zu lesen und würde bei Bedarf ebenso per Windmühle weiter getragen. Notrufe und Neuigkeiten machten so binnen Stundenfrist die kilometerlange Runde.

Heute dreht sich die Welt schneller, und statt einen tagelangen Fußmarsch gen Rotterdam unternehmen zu müssen, kann man auch den Wasserbus nehmen – schwarz-gelb gestrichene Schnellboote, die Fahrgäste bei Bedarf sogar samt Fahrrad in die Wirtschaftsmetropole fahren. Unterwegs zieht man an unendlichen Kilometern voller Containerschiffe vorbei – Rotterdam ist nicht nur die zweitgrößte Stadt der Niederlande, sondern stellt auch Europas größten Seehafen. Schön ist die Industriemetropole indes eher nicht: Rotterdam wurde 1940 von der deutschen Luftwaffe zerstört, 260 Hektar Innenstadt brannten aus – und das gesamte Gebiet wurde nach dem Krieg neu bebaut. Gässchen mit alten Häusern findet der Besucher folglich nicht vor, stattdessen breite Straßen (mit separaten Radwegen!) und Hochhäuser.
Offizieller Schlusspunkt des Rheinradweges ist indes ein inzwischen von Rotterdam zwar eingemeindeter Ort, der sich aber dennoch den Charme eines Küstenstädtchens bewahren konnte: In Hoek van Holland trifft der Radwanderer auf einen breiten Sandstrand und das Meer. Schöner kann eine Reise nicht enden.
rheinradweg.eu

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https://berlin.adfc.de/artikel/rhein-niederlaendisch

Häufige Fragen von Alltagsfahrer*innen

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    Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. (ADFC) ist mit bundesweit mehr als 200.000 Mitgliedern, die größte Interessenvertretung der Radfahrerinnen und Radfahrer in Deutschland und weltweit. Politisch engagiert sich der ADFC auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene für die konsequente Förderung des Radverkehrs. Er berät in allen Fragen rund ums Fahrrad: Recht, Technik, Tourismus.

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  • Was bringt mir eine ADFC-Mitgliedschaft?

    Radfahren muss sicherer und komfortabler werden. Wir nehmen dafür – auch Dank Ihrer Mitgliedschaft – nicht nur Einfluß auf Bundestagsabgeordnete, sondern setzen uns auf Landes- und Kommunalebene für die Interessen von Radfahrern ein. Für Sie hat die ADFC Mitgliedskarte aber nicht nur den Vorteil, dass wir uns für einen sicheren und komfortablen Radverkehr einsetzen: Sie können egal, wo Sie mit Ihrem Fahrrad unterwegs sind, deutschlandweit auf die ADFC-Pannenhilfe zählen. Außerdem erhalten Sie mit unserem zweimonatlich erscheinenden ADFC-Magazin Information rund um alles, was Sie als Radfahrer politisch, technisch und im Alltag bewegt. Zählen können ADFC-Mitglieder außerdem auf besonders vorteilhafte Sonderkonditionen, die wir mit Mietrad- und Carsharing-Anbietern sowie Versicherern und Ökostrom-Anbietern ausgehandelt haben. Sie sind noch kein Mitglied?

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  • Was muss ich beachten, um mein Fahrrad verkehrssicher zu machen?

    Wie ein Fahrrad verkehrstauglich auszustatten ist, legt die Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) fest. Vorgesehen sind darin zwei voneinander unabhängige Bremsen, die einen sicheren Halt ermöglichen. Für Aufmerksamkeit sorgen Radler*innen mit einer helltönenden Klingel, während zwei rutschfeste und festverschraubte Pedale nicht nur für den richtigen Antrieb sorgen. Je zwei nach vorn und hinten wirkende, gelbe Rückstrahler an den Pedalen stellen nämlich darüber hinaus sicher, dass Sie auch bei eintretender Dämmerung gut gesehen werden können. Ein rotes Rücklicht erhöht zusätzlich die Sichtbarkeit nach hinten und ein weißer Frontscheinwerfer trägt dazu bei, dass Radfahrende die vor sich liegende Strecke gut erkennen. Reflektoren oder wahlweise Reflektorstreifen an den Speichen sind ebenfalls vorgeschrieben. Hinzu kommen ein weißer Reflektor vorne und ein roter Großrückstrahler hinten, die laut StVZO zwingend vorgeschrieben sind.

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  • Worauf sollte ich als Radfahrer*in achten?

    Menschen, die Rad fahren oder zu Fuß gehen, gehören zu den ungeschützten Verkehrsteilnehmern. Sie haben keine Knautschzone – deshalb ist es umso wichtiger, sich umsichtig im Straßenverkehr zu verhalten. Dazu gehört es, selbstbewusst als Radfahrender im Straßenverkehr aufzutreten, aber gleichzeitig defensiv zu agieren, stets vorausschauend zu fahren und mit Fehlern von anderen Verkehrsteilnehmern zu rechnen.Passen Sie Ihre Fahrweise der entsprechenden Situation an und verhalten Sie sich vorhersehbar, in dem Sie beispielsweise Ihr Abbiegen durch Handzeichen ankündigen. Halten Sie Abstand von Lkw, Lieferwagen und Kommunalfahrzeugen. Aus bestimmten Winkeln können Fahrer nicht erkennen, ob sich seitlich neben dem Lkw Radfahrende befinden. Das kann bei Abbiegemanövern zu schrecklichen Unfällen führen. Beachten Sie immer die für alle Verkehrsteilnehmer gültigen Regeln – und seien Sie nicht als Geisterfahrer auf Straßen und Radwegen unterwegs.

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