Auf zu neuen Ufern im Lausitzer Seenland

Hörner, Körper und Schwanz sind knallrot, ein verschwörerisches Lächeln umspielt die Mundwinkel. Hier sitzt der Teufel höchstpersönlich auf dem Fahrrad.

Als Tourenlogo markiert er die Niederlausitzer Bergbautour – die längste von unzähligen Radtouren durch eine Region, die gerade dabei ist, ihr Gesicht zu verändern. VON CLAUDIA LIPERT UND KATRIN STARKE (TEXT UND FOTOS)

Einst Industriegebiet, in dem 72.000 Kumpel arbeiteten, um die DDR mit Braunkohle zu versorgen, sind die meisten Tagebaue inzwischen stillgelegt. Bis auf fünf, in denen Schaufelbagger ihre Zähne noch ins Erdreich schlagen. In den ausgekohlten Feldern dagegen werden die Tagebaurestlöcher nach und nach geflutet, entsteht bis 2017 Europas größte künstliche Seenlandschaft. „Der Teufel war es, der die Kohle einst tief in der Erde vor den Lausitzern versteckt hat. So besagt es eine Legende“, weiß Kathrin Winkler, Chefin vom Tourismusverband Lausitzer Seenland. Kein Wunder also, dass heute Touristen dem Teufel auf der Spur sind. 500 Kilometer lang können sie mit ihm auf Entdeckungsreise gehen durch 150 Jahre Braunkohlengeschichte.

Wir radeln ein Stück am Ufer des Senftenberger Sees entlang. Der ist schon 1973 geflutet worden, als erster Bergbausee in der Lausitz. Damals dachte man noch, dass in der Region ewig Braunkohle gefördert würde. Heute sind es gerade noch 8.000 Menschen, die vom Bergbau leben. Stattdessen hat sich rund um die 23 Seen, die auf 15.000 Hektar im brandenburgisch-sächsischen Grenzgebiet entstanden sind und noch entstehen, ein neuer Industriezweig entwickelt: der Tourismus. Um die 300.000 Übernachtungsgäste kommen derzeit pro Jahr ins Seenland. Durch Kornfelder nehmen wir Kurs auf die Landmarke Lausitzer Seenland – eine 30 Meter hohe Stahlskulptur mit Aussichtsplattform. Vor uns der Sedlitzer See, dessen Wasserstand noch kräftig steigen soll. In östlicher Richtung schweift der Blick über den Partwitzer zum Geierswalder See, beide auf sächsischem Territorium. Ein Abstecher führt uns zum schwimmenden Steg, der weit auf den Sedlitzer See hinausführt. Gern würden wir ein erfrischendes Bad nehmen. „Noch nicht möglich“, erläutert Volker Mielchen vom Zweckverband Lausitzer Seenland. Das Wasser der jungen Seen sei noch zu sauer.

In den benachbarten Geierswalder See wurde im Frühjahr tonnenweise Kalk gekippt, um den ph-Wert zu senken und Badequalität zu erreichen. Kitesurfer und Jetskifahrer ziehen dort ihre Runden, Holzflöße legen an, Grillboote stechen in See. Am Ufer dümpeln fünf schwimmende Ferienhäuser auf Pontons im Wasser. In ihrer Stahl-Aluminium-Glas-Optik ähneln sie einem aufgeschnittenen Schiffsrumpf. Wir radeln weiter zum Koschener Kanal, wo wir nach unserer Runde um den Geierswalder See wieder aufs rote Teufelchen treffen. Der schiffbare Kanal ist der erste seiner Art in der Region, später einmal sollen solche Überleiter zehn Seen miteinander verbinden. Gerade erst wurde er eingeweiht, samt Schleuse und zwei Tunneln. Einem für Boote, dem anderen für Radler, die so nicht die B 96 queren müssen. Weiter geht’s nach Großkoschen zum Familienpark am Senftenberger See, wo die alte DDR-Ferienhaussiedlung gerade durch Ferienhäuser im Vier-Sterne-Segment ergänzt wird. Auf dem gut ausgebauten Radweg, durch hohe Bäume vor der Sonne geschützt, radeln wir weiter, durch die Gartenstadt Marga zurück nach Senftenberg. Rund 20 Kilometer haben wir nur geschafft – weil es so viel am Wegesrand zu erkunden gab. Am nächsten Tag machen wir mehr Strecke. Auf der Bergbau-Tour, die hier auf gleicher Strecke verläuft wie die 186 Kilometer lange Seenland-Route, folgen wir dem Teufel zum Großräschener See. Seit 2007 wird er geflutet, zu 60 Prozent ist er gefüllt. Die einer Kohlenförderbrücke nachempfundene Seebrücke – erbaut im Zuge der Internationalen Bauausstellung Fürst-Pückler-Land 2000-2010 – steht noch im Trockenen. Rund 15 Kilometer weiter nordöstlich: Weinberge. 26.000 Rebstöcke stehen hier am Sonnenhang. Oben auf der Bergkuppe ein hölzernes Eingangstor. Es führt nach Wolkendorf – das es nicht mehr gibt. Das 300-Seelen-Örtchen musste dem Bergbau weichen. Findlinge erinnern daran, wo einst Kirche, Konsum, Gaststätte, Schule standen. Im Hintergrund steigen weiße Rauchwolken vom Kraftwerk Schwarze Pumpe in den blauen Himmel. Wir nehmen am noch aktiven Tagebau Welzow-Süd vorbei Kurs auf Spremberg. Von hier kann man entweder mit der Bahn wieder nach Berlin fahren oder auf einem der vielen Radwege zurück nach Senftenberg.

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https://berlin.adfc.de/artikel/auf-zu-neuen-ufern-im-lausiter-seenland

Häufige Fragen von Alltagsfahrer*innen

  • Was macht der ADFC?

    Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. (ADFC) ist mit bundesweit mehr als 200.000 Mitgliedern, die größte Interessenvertretung der Radfahrerinnen und Radfahrer in Deutschland und weltweit. Politisch engagiert sich der ADFC auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene für die konsequente Förderung des Radverkehrs. Er berät in allen Fragen rund ums Fahrrad: Recht, Technik, Tourismus.

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  • Was bringt mir eine ADFC-Mitgliedschaft?

    Radfahren muss sicherer und komfortabler werden. Wir nehmen dafür – auch Dank Ihrer Mitgliedschaft – nicht nur Einfluß auf Bundestagsabgeordnete, sondern setzen uns auf Landes- und Kommunalebene für die Interessen von Radfahrern ein. Für Sie hat die ADFC Mitgliedskarte aber nicht nur den Vorteil, dass wir uns für einen sicheren und komfortablen Radverkehr einsetzen: Sie können egal, wo Sie mit Ihrem Fahrrad unterwegs sind, deutschlandweit auf die ADFC-Pannenhilfe zählen. Außerdem erhalten Sie mit unserem zweimonatlich erscheinenden ADFC-Magazin Information rund um alles, was Sie als Radfahrer politisch, technisch und im Alltag bewegt. Zählen können ADFC-Mitglieder außerdem auf besonders vorteilhafte Sonderkonditionen, die wir mit Mietrad- und Carsharing-Anbietern sowie Versicherern und Ökostrom-Anbietern ausgehandelt haben. Sie sind noch kein Mitglied?

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  • Was muss ich beachten, um mein Fahrrad verkehrssicher zu machen?

    Wie ein Fahrrad verkehrstauglich auszustatten ist, legt die Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) fest. Vorgesehen sind darin zwei voneinander unabhängige Bremsen, die einen sicheren Halt ermöglichen. Für Aufmerksamkeit sorgen Radler*innen mit einer helltönenden Klingel, während zwei rutschfeste und festverschraubte Pedale nicht nur für den richtigen Antrieb sorgen. Je zwei nach vorn und hinten wirkende, gelbe Rückstrahler an den Pedalen stellen nämlich darüber hinaus sicher, dass Sie auch bei eintretender Dämmerung gut gesehen werden können. Ein rotes Rücklicht erhöht zusätzlich die Sichtbarkeit nach hinten und ein weißer Frontscheinwerfer trägt dazu bei, dass Radfahrende die vor sich liegende Strecke gut erkennen. Reflektoren oder wahlweise Reflektorstreifen an den Speichen sind ebenfalls vorgeschrieben. Hinzu kommen ein weißer Reflektor vorne und ein roter Großrückstrahler hinten, die laut StVZO zwingend vorgeschrieben sind.

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  • Worauf sollte ich als Radfahrer*in achten?

    Menschen, die Rad fahren oder zu Fuß gehen, gehören zu den ungeschützten Verkehrsteilnehmern. Sie haben keine Knautschzone – deshalb ist es umso wichtiger, sich umsichtig im Straßenverkehr zu verhalten. Dazu gehört es, selbstbewusst als Radfahrender im Straßenverkehr aufzutreten, aber gleichzeitig defensiv zu agieren, stets vorausschauend zu fahren und mit Fehlern von anderen Verkehrsteilnehmern zu rechnen.Passen Sie Ihre Fahrweise der entsprechenden Situation an und verhalten Sie sich vorhersehbar, in dem Sie beispielsweise Ihr Abbiegen durch Handzeichen ankündigen. Halten Sie Abstand von Lkw, Lieferwagen und Kommunalfahrzeugen. Aus bestimmten Winkeln können Fahrer nicht erkennen, ob sich seitlich neben dem Lkw Radfahrende befinden. Das kann bei Abbiegemanövern zu schrecklichen Unfällen führen. Beachten Sie immer die für alle Verkehrsteilnehmer gültigen Regeln – und seien Sie nicht als Geisterfahrer auf Straßen und Radwegen unterwegs.

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  • Was ist der Unterschied zwischen Pedelecs und E-Bikes?

    Das Angebot an Elektrofahrrädern teilt sich in unterschiedliche Kategorien auf: Es gibt Pedelecs, schnelle Pedelecs und E-Bikes. Pedelecs sind Fahrräder, die durch einen Elektromotor bis 25 km/h unterstützt werden, wenn der Fahrer in die Pedale tritt. Bei Geschwindigkeiten über 25 km/h regelt der Motor runter. Das schnelle Pedelec unterstützt Fahrende beim Treten bis zu einer Geschwindigkeit von 45 km/h. Damit gilt das S-Pedelec als Kleinkraftrad und für die Benutzung sind ein Versicherungskennzeichen, eine Betriebserlaubnis und eine Fahrerlaubnis der Klasse AM sowie das Tragen eines Helms vorgeschrieben. Ein E-Bike hingegen ist ein Elektro-Mofa, das Radfahrende bis 25 km/h unterstützt, auch wenn diese nicht in die Pedale treten. Für E-Bikes gibt es keine Helmpflicht, aber Versicherungskennzeichen, Betriebserlaubnis und mindestens ein Mofa-Führerschein sind notwendig. E-Bikes spielen am Markt keine große Rolle. Dennoch wird der Begriff E-Bike oft benutzt, obwohl eigentlich Pedelecs gemeint sind – rein rechtlich gibt es große Unterschiede zwischen Pedelecs und E-Bikes.

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  • Gibt es vom ADFC empfohlene Radtouren für meine Reiseplanung?

    Wir können die Frage eindeutig bejahen, wobei wir Ihnen die Auswahl dennoch nicht leicht machen: Der ADFC-Radurlaubsplaner „Deutschland per Rad entdecken“ stellt Ihnen mehr als 165 ausgewählte Radrouten in Deutschland vor. Zusätzlich vergibt der ADFC Sterne für Radrouten. Ähnlich wie bei Hotels sind bis zu fünf Sterne für eine ausgezeichnete Qualität möglich. Durch die Sterne erkennen Sie auf einen Blick mit welcher Güte Sie bei den ADFC-Qualitätsradrouten rechnen können.

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