Flaeming-Skate: Völlig von der Rolle

Wer im Winterhalbjahr mit Genuss radeln will, braucht guten Belag. Besseren als im Fläming gibt’s nirgends. Text und Fotos von Stefan Jacobs.

Der Fläming ist Brandenburgs höchstes – äh – Gebirge. Aber die Flaeming-Skate-Runde beginnt völlig platt, sofern man in Baruth startet, wo der Zug aus Berlin hält. Das liegt am Urstromtal, dem ältesten von dreien in Brandenburg. Hier sind die Gletscher schon vor 200.000 Jahren abgeschmolzen – weil ebenjene Berge sie gestoppt hatten, von denen auf den ersten Kilometern nichts zu merken ist. Es geht einfach flott durch den Kiefernwald bis nach Glashütte. Der Ortsname klingt nach Museum, und so ist es tatsächlich. Das ganze Dorf steht unter Denkmalschutz: rechts der Straße schlichte Backsteinhäuser für die etwa 50 Bewohner, links die Glaswerkstätten. Außerdem eine Ausstellung, ein Gasthaus, eine Töpferei samt Café und offenem Eisenbahnwaggon als Terrasse, ein Kräuterladen, eine Galerie und ein Dorfkonsum, und ringsherum führt ein Naturlehrpfad. Genug Angebot also, um sich gleich nach dem Start zu verzetteln. Wohl dem, der früh am Morgen aufgebrochen ist.

In den 264 Jahren, in denen der Fabrikbetrieb brummte, hatte Glashütte zeitweise fünfmal so viele Einwohner wie heute, erzählt Museumsleiter Georg Goes, der sein Büro unterm Dach eines Fachwerkhauses hat. Jetzt gebe es noch zwei feste Glasmacher im Dorf. Wer zur rechten Zeit komme, könne sich seine eigene Glaskugel blasen. Und dann? „Die sind robust genug für den Transport auf dem Fahrrad.“

Beim Flaeming-Skate gelten besondere Qualitätsmaßstäbe, weil der Parcours ursprünglich für Inliner angelegt wurde. Allerdings liegt Glashütte am „Fahrradrundkurs“, mit dem die Skater-Runden im Nachhinein ostwärts ergänzt worden sind. Seit Eröffnung des ersten, knapp 100 Kilometer langen Rundkurses vor 18 Jahren ist das Routennetz auf 230 Kilometer angewachsen. Der Fahrradkurs reicht bis fast an den Spreewald. Auf Mini-Straßen geht es meist durch Wald. Bei Rietz-Neuendorf rieselt der Sand einer Binnendüne bis fast auf den Weg. Allerlei wärmeliebendes Kleingetier wirtschaftet zwischen den sonnenbeschienen Körnchen herum, an denen sich kaum eine Pflanze festhalten kann. Die Düne ist auch für Menschen ein schönes Plätzchen, um sich an kühlen Tagen in der Sonne zu wärmen. Und der Flaeming-Skate ist ganz prinzipiell etwas für kühle Tage, denn dank dem tiptop gepflegten Belag kann man sich hier auch im Winterhalbjahr zügig durch die Landschaft kurbeln, ohne Ross und Reiter eine Schlammpackung zu verpassen.

Vor der Spreewaldgurkenmetropole Golßen nervt der Weg ein bisschen, weil die Baufirma offenbar eine Ladung Fahrbahnschwellen übrig hatte, die sinnlos im Wald verteilt wurden. Aber danach geht’s umso geschmeidiger voran. So gut, dass man glatt an der Kanow-Mühle vorbeirauschen könnte: Seit mehr als 200 Jahren gibt es die an einem lauschigen Wäldchen gelegene Mühle schon. Spezialität des Hauses ist Leinöl. Das dunkle Flüsschen unter den Bäumen hinter der Mühle ist die Dahme, die hier noch jung und rein ist – und einst mehrere Mühlen antrieb. Manche hatten sogar Bahnanschluss. Es lohnt sich, an den Erklärschildern kurz zu stoppen und auch einen Blick in das Wasser zu werfen, das in Berlin-Köpenick breit und bräsig von der Spree geschluckt wird.

Am südlichsten Punkt der Tour liegt Dahme, das Städtchen zum Fluss mit einer gewaltigen Schlossruine, vor der eine Tafel ihre komplette Geschichte erklärt – ohne allerdings die Ursache ihrer Verwüstung zu verraten. Auf der Weiterfahrt westwärts wird das Land nun offener, der Blick schweift endlos über vom Wind gekämmte Felder, die ersten Hügel machen sich bemerkbar. Und auch der erste Skater an diesem durchaus sonnigen Werktag Ende Oktober. Drei weitere werden an diesem Tag noch folgen. Flaeming-Skate in der Nebensaison scheint ein echter Insidertipp zu sein. Dabei zieht sich die extra glatte Asphaltbahn in den Dörfern wie ein Geschenkband als oberste Schicht über Kopfsteinpflaster und Gebrösel. Oft umkurvt der Weg die Höfe auch rückwärtig an den Feldrainen.

In Hohenseefeld trifft die Runde auf den Rundkurs 1. Wer Mumm für neun Extra-Kilometer (oder ohnehin andere Etappen geplant) hat, sollte einen Abstecher nach Wiepersdorf machen. Das Künstlerhaus, in dem einst die Familie von Arnim lebte, wird saniert und öffnet wohl erst 2020 wieder, aber auch der von Großmeister Lenné gestaltete Park mit den Familiengräbern derer von Arnim lohnt den Umweg. Die Anlage hat etwas Erhabenes, zumal im Kontrast zu den schlichten Dörfern der Gegend.

Wer die Tour im Sommer fährt, wird über die Freibäder an der Strecke dankbar sein, zumal der Fläming praktisch keine Seen hat. Ins Schwitzen kann man spätestens um Wahlsdorf – dem Mittelpunkt des gesamten Routennetzes – kommen: Die Hügel sind mit knapp 200 Metern deutlich spürbar. Auch vor dem Nachtquartier in Petkus geht es noch mal steil auf und ab. Im „Skate-Hotel“ gibt’s außer einem gemütlichen Bett auch in der Nebensaison köstliches regionales Abendessen im hauseigenen „Roggenkönig“. Der Name ist Programm: Gutsherr Ferdinand von Rochow züchtete hier seit Ende des 19. Jahrhunderts erfolgreich Roggen für die halbe Welt. 1991 kaufte die Familie ihren nach dem Krieg enteigneten Besitz zurück – und nutzte das Gutshaus als Verwaltungsgebäude der Saatgutfirma. 2001 entstand dann das Skate-Hotel, 2007 zog der „Roggenkönig“ ein. Es gibt hier zum Beispiel Kartoffelsuppe im Brottopf. Zero Waste in seiner schönsten Art. Und erst das kräftige, milde Roggenbier!

Frisch gestärkt geht’s an die zweite Etappe. Die Felder scheinen endlos und die Hügel höher, als sie sind. Hin und wieder grüßt der Kirchturm von Jüterbog am Horizont. Oft warnen Schilder vor Straßenschäden, aber gemessen am sonst Üblichen sind die harmlos. 2019 soll das Gros der Buckel repariert werden, berichtet Erik Scheidler, der Vorsitzende des Sportvereins Flaeming Skate e.V. Man kann ihn in Jüterbog an der Skate-Arena treffen, in der er Trainingsgruppen aus halb Europa empfängt. Auf den Rundkursen seien die Radler längst in der Mehrheit, erzählt Scheidler, der vor seinem Ruhestand Geschäftsführer der Vermarktungs-GmbH war, die dem Landkreis Teltow-Fläming gehörte. Der Kreis verwaltet die Strecke, die laut Scheidler aus einem Gedankenblitz des Landrats entstand: Als 1998 gerade der Bescheid des Landes über 15 Millionen Euro für Radwegeförderung eingetroffen war, erzählten Verwandte dem Landrat von einem Skate-Urlaub in Österreich. Den sollen sie künftig lieber hier verbringen, habe der Landrat beschlossen – und Baufirmen an feineren Asphaltmischungen tüfteln lassen. Beim Bau des ersten Rundkurses habe noch Skepsis überwogen. Zur Eröffnung des zweiten kam schon der Ministerpräsident. Inzwischen sind es acht, die sich nach Lust und Laune kombinieren lassen. Während sich im Westen mit Kloster Zinna, Jüterbog und Luckenwalde die Kultur konzentriert, ist der große Rest selbst für Brandenburger Verhältnisse sehr ländlich. Und ideal für ein sportliches Wochenende, an dem alles glatt läuft.

INFO

Für An- und Abreise eignen sich Baruth und Luckenwalde sowie Jüterbog (RE via Berlin-Südkreuz). Zur Vorbereitung empfiehlt sich ein Blick auf www.flaeming-skate.de, wo sich ein Routenplan mit Kilometerangaben als pdf ausdrucken lässt. Die Strecke ist perfekt beschildert, der Belag rennradtauglich.

Gefahrene Etappen:

  1. Tag: Baruth – Glashütte – Golßen – Dahme – (Wiepersdorf) – Petkus: 75 (84) km
  2. Tag: Petkus – Schlenzer – Oehna – Jüterbog – Kloster Zinna – Baruth: 95 km (bis Luckenwalde: 72 km)

Übernachtung: Gutshaus Petkus, www.skatehotel.de

Hübsche Einkehr (2. Tag): Erlebnishof Werder bei Kloster Zinna, www.erlebnishof-werder-2018.de

Infos zum Veranstaltungsprogramm in Glashütte: www.museumsdorf-glashuette.de

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Häufige Fragen von Alltagsfahrer*innen

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    Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. (ADFC) ist mit bundesweit mehr als 200.000 Mitgliedern, die größte Interessenvertretung der Radfahrerinnen und Radfahrer in Deutschland und weltweit. Politisch engagiert sich der ADFC auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene für die konsequente Förderung des Radverkehrs. Er berät in allen Fragen rund ums Fahrrad: Recht, Technik, Tourismus.

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  • Was bringt mir eine ADFC-Mitgliedschaft?

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  • Was muss ich beachten, um mein Fahrrad verkehrssicher zu machen?

    Wie ein Fahrrad verkehrstauglich auszustatten ist, legt die Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) fest. Vorgesehen sind darin zwei voneinander unabhängige Bremsen, die einen sicheren Halt ermöglichen. Für Aufmerksamkeit sorgen Radler*innen mit einer helltönenden Klingel, während zwei rutschfeste und festverschraubte Pedale nicht nur für den richtigen Antrieb sorgen. Je zwei nach vorn und hinten wirkende, gelbe Rückstrahler an den Pedalen stellen nämlich darüber hinaus sicher, dass Sie auch bei eintretender Dämmerung gut gesehen werden können. Ein rotes Rücklicht erhöht zusätzlich die Sichtbarkeit nach hinten und ein weißer Frontscheinwerfer trägt dazu bei, dass Radfahrende die vor sich liegende Strecke gut erkennen. Reflektoren oder wahlweise Reflektorstreifen an den Speichen sind ebenfalls vorgeschrieben. Hinzu kommen ein weißer Reflektor vorne und ein roter Großrückstrahler hinten, die laut StVZO zwingend vorgeschrieben sind.

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  • Worauf sollte ich als Radfahrer*in achten?

    Menschen, die Rad fahren oder zu Fuß gehen, gehören zu den ungeschützten Verkehrsteilnehmern. Sie haben keine Knautschzone – deshalb ist es umso wichtiger, sich umsichtig im Straßenverkehr zu verhalten. Dazu gehört es, selbstbewusst als Radfahrender im Straßenverkehr aufzutreten, aber gleichzeitig defensiv zu agieren, stets vorausschauend zu fahren und mit Fehlern von anderen Verkehrsteilnehmern zu rechnen.Passen Sie Ihre Fahrweise der entsprechenden Situation an und verhalten Sie sich vorhersehbar, in dem Sie beispielsweise Ihr Abbiegen durch Handzeichen ankündigen. Halten Sie Abstand von Lkw, Lieferwagen und Kommunalfahrzeugen. Aus bestimmten Winkeln können Fahrer nicht erkennen, ob sich seitlich neben dem Lkw Radfahrende befinden. Das kann bei Abbiegemanövern zu schrecklichen Unfällen führen. Beachten Sie immer die für alle Verkehrsteilnehmer gültigen Regeln – und seien Sie nicht als Geisterfahrer auf Straßen und Radwegen unterwegs.

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  • Was ist der Unterschied zwischen Pedelecs und E-Bikes?

    Das Angebot an Elektrofahrrädern teilt sich in unterschiedliche Kategorien auf: Es gibt Pedelecs, schnelle Pedelecs und E-Bikes. Pedelecs sind Fahrräder, die durch einen Elektromotor bis 25 km/h unterstützt werden, wenn der Fahrer in die Pedale tritt. Bei Geschwindigkeiten über 25 km/h regelt der Motor runter. Das schnelle Pedelec unterstützt Fahrende beim Treten bis zu einer Geschwindigkeit von 45 km/h. Damit gilt das S-Pedelec als Kleinkraftrad und für die Benutzung sind ein Versicherungskennzeichen, eine Betriebserlaubnis und eine Fahrerlaubnis der Klasse AM sowie das Tragen eines Helms vorgeschrieben. Ein E-Bike hingegen ist ein Elektro-Mofa, das Radfahrende bis 25 km/h unterstützt, auch wenn diese nicht in die Pedale treten. Für E-Bikes gibt es keine Helmpflicht, aber Versicherungskennzeichen, Betriebserlaubnis und mindestens ein Mofa-Führerschein sind notwendig. E-Bikes spielen am Markt keine große Rolle. Dennoch wird der Begriff E-Bike oft benutzt, obwohl eigentlich Pedelecs gemeint sind – rein rechtlich gibt es große Unterschiede zwischen Pedelecs und E-Bikes.

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