
Von Bernau nach Oranienburg – viel Spaß auf der ADFC-Radtour. © ADFC Berlin / Karl Grünberg
Tritt für Tritt zum Glück: Warum Peter Schäfer seine ADFC-Touren liebt
Peter Schäfer liebt das Radfahren – und das merkt man. 15 Touren organisiert er für den ADFC Berlin im Jahr.
Was eine gute Tour ausmacht, warum ein Schlussmann unverzichtbar ist und weshalb sich das Ehrenamt für ihn lohnt – eine Fahrt voller
Begegnungen und Erlebnisse. Von Karl Grünberg.
Peter Schäfer steht auf dem Bahnhofsvorplatz von Bernau und wartet. 23 Teilnehmer:innen haben sich zu seiner ADFC-Radtour angemeldet. „Das ist schon ganz schön viel“, sagt er und schaut auf sein Handy. Noch 25 Minuten, dann soll es losgehen. Die Sonne scheint und der Frühling schickt seine ersten Strahlen ins Land. 60 Kilometersoll die Tour heute lang werden.
Peter zählt auf: Als Erstes geht es den Usedom-Radweg entlang, dann weiter über den Oder-Havel-Radweg und zuletzt den Berlin-Kopenhagen-Radweg bis zurück nach Oranienburg. Das macht er gerne, von S-Bahn-Station zu S-Bahn-Station, da ist eine sichere An- und Abfahrt garantiert. Peter kennt sich bestens mit Streckenplanung aus. Seine eigenen Radtouren führten ihn bis ans Nordkap in Norwegen, nach Südfinnland, einmal hat er sogar die Insel Sardinien mit dem Fahrrad umrundet. Nur eine Sache macht ihm heute Sorgen: „Bei so vielen Teilnehmer:innen brauche ich einen guten Schlussmann.“
Peter begrüßt, schüttelt Hände, trägt in die Liste ein, nimmt die Teilnahmegebühren entgegen, macht hier einen Scherz, freut sich da über ein bekanntes Gesicht – all das tut er auf eine entspannte, verbindliche Art. „Mir macht die Tourenleitung richtig Spaß“, sagt er. 72 Jahre ist er alt, früher hat er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich der Physik gearbeitet. Bei den ADFC- Radtouren fährt er seit 1999 mit. „Dann war ich an dem Punkt, dass ich etwas zurückgeben wollte“, sagt er. Heute ist Peter einer von 60 ehrenamtlichen Tourenleiter:innen des ADFC Berlin, die alle zusammen 327 Eintagestouren, 51 Wanderungen, zehn Radreisen und elf Kieztouren im letzten Jahr auf die Beine gestellt haben.
Da kommt Andre angefahren, Fahrradhelm, Fahrradbrille, Funktionsjacke, ein Lachen im Gesicht. „Willst du heute mein Schlussmann sein?“, fragt ihn Peter. Schlussmänner oder -frauen sind wichtig, erklärt Peter. Er selber fährt vorneweg, versucht im Rückspiegel alles im Blick zu behalten. Wenn aber die Gruppe so groß ist, bekommt er nicht mit, was hinten passiert. Falls jemand langsamer wird oder eine Panne hat, ruft der Schlussmann einfach den:die Tourenleiter:in an und gibt Bescheid.
Andre will. Das liegt ihm. Er fährt gerne hinten, behält den Überblick.
„Wann geht es los?“, ruft eine Frau. Peters Handy klingelt, eine S-Bahn ist ausgefallen, zwei Teilnehmerinnen kommen später. „Wir warten noch zehn Minuten“, sagt Peter ins Telefon. „Zur Not fahrt ihr uns einfach hinterher.“ Er hat immer genügend Puffer eingeplant. Falls nötig, verkürzt er die Pausen ein wenig, die Route heute ist nur „mittelschwer“.
Die ADFC-Touren sind einfach, mittel oder schwer – je nachdem, wie viele Kilometer gefahren werden, ob sie über befestigte Wege oder durch den holprigen Wald gehen und welche Durchschnittsgeschwindigkeit angestrebt wird. „Meine Touren sind nicht zu lang, nicht zu schnell, da kommt eine gute Stimmung auf “, sagt Peter.
Die Nachzüglerinnen sind da, Peter begrüßt alle im Namen des ADFC Berlin und erklärt die wichtigen Handzeichen. Hand nach oben heißt anhalten. Hand nach rechts oder links bedeutet abbiegen. Eine hinter dem Rücken wedelnde Hand warnt vor Gegenverkehr, man soll sich rechts einordnen. Ein Fingerzeig auf den Boden warnt vor kaputten Glasflaschen oder anderen Hindernissen. „Die Handzeichen immer nach hinten durchgeben.“
Dann geht es auch schon los. Einmal raus aus Bernau. Peter hat eine Route abseits der Hauptstraße gewählt – kaum Autos auf den ersten Kilometern. Wenn der:die Tourenleiter:in seine Routen zusammenstellt, dann plant er:sie erst online, dann fährt er:sie die Strecke einmal
komplett ab und schaut, was funktioniert und was nicht. Dann muss er:sie die Tour im Tourenportal eintragen, die Kommunikation mit den Teilnehmenden führen, am Ende die Abrechnung machen, und einmal im Jahr gibt es ein Tourenleiter:innen-Wochenende. Das hört sich nach einer Menge ehrenamtlichen Einsatzes an. Lohnt sich das?
„Auf jeden Fall“, sagt Hannelore Lingen, Co-Vorsitzende des ADFC Berlin und zuständig für die Radtouren und die neue TourGuide-Ausbildung. Da ist zum einen die Stimmung bei den Radtouren, viele Leute mit jeder Menge guter Laune, berichtet sie. Dann ist da der Zusammenhalt unter den Tourenleitenden, die sich über Strecken und Erfahrungen austauschen. Und schließlich ist da das wunderbare Gefühl, Menschen aufs Rad und in Bewegung zu bringen. „Mit uns können Menschen, die nicht die größten Alltagsradler sind, erleben, wie viel Spaß Radfahren macht. Das ist ein aktiver Beitrag zur Verkehrswende“, sagt Hannelore Lingen.
Hügel rauf und wieder runter, der erste Abschnitt des Berlin-Usedom-Radweges bringt einige zum Schnaufen, dafür belohnt die Landschaft mit schönen Wäldern, Wiesen, Wasserflächen und immer wieder interessanten, alten Gebäuden. Viele Teilnehmende fahren nebeneinander, sie unterhalten sich, hier ein Lachen, da eine Diskussion. Wer, wo schon überall mitgefahren ist. Wer welchen Tourenleitenden mag. Wie sich das neue Fahrrad fährt. Was die Familie macht. Es ist wie ein Klassenausflug.
So geht es weiter bis Oranienburg. Einmal gab es einen Platten, der schnell geflickt wurde. Ein andermal flog ein Handschuh ins Kettenfach, was nach zehn Minuten behoben wurde. Am Ende fahren alle glücklich nach Hause – auch Peter ist zufrieden. „Ich werde dieses Jahr wieder um die 15 Touren machen“, sagt er. Die Mühe lohnt sich jedes Mal – vor allem, wenn am Ende alle mit einem Lächeln nach Hause radeln.