Sternfahrt 2023: Ein Stern rollte durch Berlin
50.000 Menschen waren auf der ADFC-Sternfahrt. Ein starkes Signal, dass Berliner:innen ihr Fahrrad lieben und von der Stadt eine Verkehrswende fordern.
Sebastian bremst, hält mit seinem Lastenrad an, steht jetzt am Rand der Autobahn A 100 in Berlin. Ein Fahrrad nach dem anderen saust an ihm vorbei: Kinder und ihre Eltern, Rennradfahrer, Jugendliche mit Stuntbikes, ganz alte, ganz junge Radler:innen, dazwischen immer wieder Fahrräder mit Musikboxen auf Anhänger. „Wow, sind wir viele“, staunt Sebastians Sohn, acht Jahre, der auf seinem eigenen Fahrrad mitfährt. Seid Pankow strampeln sie schon mit. Bis zum großen Stern will er durchhalten, dort endet die Sternfahrt. Jetzt braucht er aber erstmal eine Pause. Warum er dabei ist? „Weil ich ein neues Fahrrad habe und Fahrradfahren super Spaß macht“, sagt er. „Und weil wir Radfahrer mehr Platz brauchen“, sagt sein Vater und legt schon los, wo es bei ihm in Pankow überall Radwege bräuchte. Am schlimmsten fände er es aber, dass die Autos einfach durch die Fahrradstraße brettern, „ohne Rücksicht auf Verluste.“
Mit der Sternfahrt zur RADvolution
Zeitungen und Radio warnten schon Tage vorher: Es würde voll werden am Sonntag auf den Straßen von Berlin, zehntausende Radfahrer würden Sperrungen verursachen, den Autos die Vorfahrt nehmen und sogar auf die Autobahn wollen. „Wir nehmen einmal im Jahr für ein paar Stunden den Platz ein, den der KfZ-Verkehr die restlichen 364 Tage hat. Außerdem sperren wir die Straßen nicht, sondern öffnen sie damit für uns Radfahrende“, sagte ADFC-Sprecher Karl Grünberg dazu. Tatsächlich startete der ADFC mit der Sternfahrt die bundesweite Kampagne „RADvolution – mehr Recht fürs Rad“, die auf eine dringend benötigte Reform des Straßenverkehrsgesetz abzielt. Warum? „Wir haben ein Straßenverkehrsgesetz, das über 100 Jahre alt ist. Das geht nicht!“, sagte Rebecca Peters, ADFC-Bundesvorsitzende.
Das konkrete Problem: Bis jetzt steht in dem Gesetz nur, dass der Verkehr fließen muss. Will man einen Radweg bauen, eine Tempo 30 Zone oder einen Zebrastreifen einrichten, muss man aufwändig prüfen und beweisen, warum das hier den KfZ-Verkehr nicht behindert. Im Zweifelsfall darf gar nichts gebaut werden. „Radwege können bisher nur errichtet werden, wenn es Tote oder Verletzte gibt. Das muss sich ändern, denn so können wir die Verkehrswende nicht schaffen“, sagte Bundesvorsitzende Peters.
50.000 Menschen waren laut ADFC und Berliner Polizei bei der Sternfahrt dabei.
Auf insgesamt 20 Routen ging es ab Bernau, Eberswalde, Oranienburg, Potsdam, Frankfurt (Oder) immer weiter in die Innenstadt bis zur Autobahn und dann zum großen Stern. Sogar aus Stettin in Polen kamen 60 Radler:innen über Nacht. Die Ersten erreichten um 13:40 Uhr den großen Stern, da fuhren die letzten Tausend gerade einmal auf die Autobahnauffahrten.
Ein paar Bilder der Sternfahrt haben wir hier für dich zusammengestellt.
„Hier fährt die ganze Gesellschaft mit“, sagt Petra, 52 Jahre alt, die mit ihrem Tourenrad gekommen war. Einmal im Jahr ist sie einen Monat auf Radreise, ansonsten bewältigt sie mit dem Fahrrad den größten Teil ihrer Alltagsmobilität. Für sie braucht es endlich mehr Platz fürs Rad, damit mehr Menschen sich trauen würden, so wie sie. Neben ihr fragen zwei Jungs ihre Mutter, ob sie noch eine Runde um den Stern drehen dürfen „Das macht so ein Spaß, so sollte es das ganze Jahr sein.“
Ganze zwei Stunden dauerte es, bis um 15:40 Uhr auch wirklich der letzte Radfahrer am Stern ankommt und laut ruft: „Nach mir kommt nur noch die Polizei“. Dann wirft er die Arme in die Höhe.
Vielen Dank an alle, die da waren.
Vielen Dank an die über 250 Helferinnen und Helfer, die die Sternfahrt überhaupt erst möglich gemacht haben.