Mit Fontane durchs Oderbruch

 

Berühmter Brandenburger Schriftsteller mit sieben Buchstaben? Da muss niemand lange überlegen. Erst recht nicht im Jubiläumsjahr „fontane.200“.

 

Mit unzähligen Veranstaltungen wird 2019 des Brandenburger Dichters Theodor Fontane gedacht. Überall im Land hat der „Wanderer durch die Mark Brandenburg“ seine Spuren hinterlassen – entdecken lassen die sich zum Beispiel bei einer Radtour auf dem insgesamt 220 Kilometer langen Rundkurs des Theodor-Fontane-Radwegs. Claudia Lippert und Katrin Starke entschieden sich für die rund 60 Kilometer lange Strecke durchs Oderbruch von Gusow nach Schiffmühle.

Es gibt kaum ein Fleckchen in der Mark Brandenburg, an dem Theodor Fontane nicht gewesen ist. 1819 in Neuruppin geboren besuchte er Schlösser und Klöster, spazierte durch Orte und Landschaften, schrieb die Geschichten ihrer Bewohner auf. Das Ergebnis seiner Touren ist auf hunderten von Seiten nachzulesen in seinen Reiseberichten, den zwischen 1862 und 1889 erschienenen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“. Auch das Oderbruch hat er „unzähligmal durchreist“, wie er selbst dereinst schrieb. Nicht ohne Grund: In Letschin führten seine Eltern eine Apotheke und in Schiffmühle verbrachte sein Vater seinen Lebensabend. Also sollen diese beiden Orte Stationen unserer Tour sein.

Am Bahnhof Gusow, zu dem uns die Regionalbahn 26 von Berlin aus gebracht hat, steigen wir auf unsere Räder und rollen hinunter in den Ort, bis ein Straßenschild uns auf das Schloss aufmerksam macht und wir nach links von der Hauptstraße abbiegen. „Alles in Gusow oder doch alles Beste, was es hat, erinnert an den alten Derfflinger: Schloss, Park, Kirche“, schrieb Fontane in seinen „Wanderungen“. Georg Freiherr von Derfflinger (1606–1695), der Generalfeldmarschall des Großen Kurfürsten, war einst der Schlossherr in Gusow.

 

Der dreiflüglige Bau mit den zwei Ecktürmchen hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich, diente zu DDR-Zeiten unter anderem als Geflügelrupfanstalt. Seit 1992 ist das denkmalgeschützte Gebäude in privatem Besitz. An dem Park hinter dem wuchtigen Bau hätte Fontane heute allerdings wohl keine Freude mehr, denn der verwildert zusehends. Der Schlossbesitzer sei vor ein paar Jahren gestorben und seiner Frau wachse „das Unkraut über den Kopf“, erzählt eine Dorfbewohnerin. 

Zurück auf der Hauptstraße radeln wir weiter in Richtung Platkow, vorbei an der Gusower Feldsteinkirche, in der ein Grabdenkmal an den „alten Haudegen“ Derfflinger erinnert. Am Museum Platkow verlassen wir die Bundesstraße 167 und biegen nach rechts in die Oderstraße ein. Wir überqueren die Alte Oder, auf der an diesem Morgen noch kein Paddler unterwegs ist und folgen dem Radweg, der hier eher wie ein Landwirtschaftsweg daherkommt – und eher spartanisch ausgeschildert ist. Da ist man gut beraten, wenn man vor der Tour den Verlauf auf sein GPS-Gerät geladen hat.

Kurz nachdem wir nach links auf die Gusower Straße eingebogen sind, kommt das Museum des Eisenbahnvereins Letschin in Sicht. Diverse Signalanlagen vor dem Gebäude vermitteln einen Eindruck davon, was Bahnenthusiasten hier an Technik zusammengetragen haben. Auf einem kurzen Gleis hat ein mit Graffiti besprühter S-Bahn-Waggon seine letzte Ruhe gefunden, schräg gegenüber steht ein historischer Bahnwaggon. „Wollen Sie reinkommen?“, fragt ein Mann, der gerade aus seinem Auto steigt. Zwar habe das Museum um diese Zeit geschlossen, aber er habe Zeit. Wir jedoch nicht, noch liegt das Gros der Strecke vor uns. Wir versprechen, dass wir uns die im Innenraum ausgestellten Stellwerkstypen beim nächsten Mal anschauen und radeln nach Letschin hinein.

Personen und Geschehnisse aus dem Ort hat Fontane in seiner Kriminalnovelle „Unterm Birnbaum“ und auch in seinem ersten Roman „Vor dem Sturm“ verarbeitet. In Letschin gibt es nicht nur die Fontane-Schule, den Fontane-Park und die Fontanestraße, sondern an selbiger auch die Fontane-Apotheke. Die ist unschwer zu finden, weil der große Meister davor als Bronzebüste auf hohem Sockel prangt. Seinen Blick hat der Dichter auf das Haus gerichtet, in dem seine Eltern 1838 die Apotheke erworben hatten. Bis 1850 war Vater Fontane hier als Apotheker tätig – in einem Vorgängerbau. Das alte Fachwerkhaus brannte 1866 ab, die heutige Apotheke wurde auf dessen Grundmauern neu errichtet.

Mit der Fontanestraße ist es so eine Sache. Nach dem Bau des Kreisverkehrs unweit der Apotheke sollte deren Adresse fortan Karl-Marx-Straße lauten. Das gefiel den Letschinern nicht – und so wurde nur die gegenüberliegende Straßenseite zur Karl-Marx-Straße. Zum Jahresende wird die Apotheke umziehen. Doch der bronzene Fontane wird seinen Standort nicht verändern. „Theodor bleibt hier“, versichert Ortsbürgermeister Michael Böttcher.

In Letschin entdecken wir übrigens auch das erste Mal das Schild mit den lilafarbenen Buchstaben TF, mit dem der Theodor-Fontane-Radweg eigentlich durchgängig ausgeschildert sein sollte. Beim Tourismusverband Seenland Oder-Spree verweist man darauf, dass der insgesamt 220 Kilometer lange Rundkurs kein neu angelegter Weg sei, sondern auf vorhandenen Routen verlaufe – so beispielsweise von Platkow nach Letschin auf dem Europaradweg R 1. Von Letschin aus fahren wir weiter auf der Landstraße L 33, die hier wenig befahren ist. Den Weiler Posedin lassen wir rechts liegen und biegen kurz darauf nach links ein in die Straße, die uns über Sietzing nach Wuschewier führt und von dort nach Neutrebbin. Die Wriezener Straße entlang radeln wir nach Kunersdorf, wo wir an der Dorfkirche mit dem auffällig gewölbten Dach vorbeifahren und Kurs auf Bliesdorf nehmen.

Von hier bis zu unserem Zielpunkt Schiffmühle sind es noch knapp 20 Kilometer und so treten wir kräftig in die Pedale, um die nächste Etappe – die zur „Tour Brandenburg“ gehört – flugs hinter uns zu bringen. Es geht durch Wriezen, ein Stück am Landgraben entlang, weiter nach Bad Freienwalde. Brandenburgs ältestem Kurort schenken wir zunächst wenig Aufmerksamkeit. Stattdessen halten wir uns in Richtung Norden, nun hilft auch wieder die TF-Beschilderung. Wir überqueren die Alte Oder, die hier offiziell „Wriezener Alte Oder“ heißt und biegen kurz darauf nach rechts in die Straße Schiffmühle ab. Linkerhand sticht das kleine Fachwerkhaus ins Auge, ein Idyll mit gepflegtem Vorgarten vor Laubbaumkulisse. Hier verbrachte der Apotheker Louis Henri Fontane seine letzten 15 Lebensjahre. „Ich besuchte ihn alle Jahre einmal“, schrieb Theodor in seinem autobiografischen Roman „Meine Kinderjahre“ über den Vater, der 1867 starb. 1995 wurde in dem Haus eine Fontane-Erinnerungsstätte eingerichtet. Im Zuge des „fontane.200“- Jubiläums ist die ständige Ausstellung „Fontane und das Oderbruch“ neu konzipiert worden. Die neue Ausstellung wird am 17. Mai eröffnet. Bis dahin bleibt das Haus geschlossen.

Jetzt schnell noch in den benachbarten Ortsteil Neutornow, wo sich auf dem Bergfriedhof die Grabstätte von Fontanes Vater befindet. Von diesem verwunschenen Ort aus soll man eine fantastische Aussicht über das Oderbruch bis hin zu den Ausläufern des Barnims haben, hat uns die Tourismus-Marketing Brandenburg versprochen. Doch leider hat es unterdessen heftig zu regnen begonnen und die flachen Weiten des Oderbruchs versinken im Grau. Schade, denn es ist doch gerade dieses besondere Licht, das bei klarem Himmel die Gegend verzaubert. Also zurück nach Bad Freienwalde, eine Runde durch den historischen Stadtkern mit seinen spätbarocken, frühklassizistischen und gründerzeitlichen Häusern und Villen gedreht und dann nichts wie ab zum Bahnhof, von wo aus wir mit der Niederbarnimer Eisenbahn nach Frankfurt (Oder) und von dort aus mit dem RE 1 nach Berlin zurückfahren.

Alternativ kann man über Eberswalde und Bernau fahren. Aber wie auch immer: Zwei Stunden sind es allemal bis Berlin. Heißt: Zu dieser Tour nicht zu spät starten – oder in Bad Freienwalde übernachten und am nächsten Tag auf dem Oder-Neiße-Radweg bis Küstrin weiterradeln. Das sind dann noch mal gut 60 Kilometer – dafür beträgt die Fahrzeit mit dem Zug zurück nach Berlin nur gute anderthalb Stunden. Und man muss nicht umsteigen.

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https://berlin.adfc.de/artikel/mit-fontane-durchs-oderbruch

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  • Was muss ich beachten, um mein Fahrrad verkehrssicher zu machen?

    Wie ein Fahrrad verkehrstauglich auszustatten ist, legt die Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) fest. Vorgesehen sind darin zwei voneinander unabhängige Bremsen, die einen sicheren Halt ermöglichen. Für Aufmerksamkeit sorgen Radler*innen mit einer helltönenden Klingel, während zwei rutschfeste und festverschraubte Pedale nicht nur für den richtigen Antrieb sorgen. Je zwei nach vorn und hinten wirkende, gelbe Rückstrahler an den Pedalen stellen nämlich darüber hinaus sicher, dass Sie auch bei eintretender Dämmerung gut gesehen werden können. Ein rotes Rücklicht erhöht zusätzlich die Sichtbarkeit nach hinten und ein weißer Frontscheinwerfer trägt dazu bei, dass Radfahrende die vor sich liegende Strecke gut erkennen. Reflektoren oder wahlweise Reflektorstreifen an den Speichen sind ebenfalls vorgeschrieben. Hinzu kommen ein weißer Reflektor vorne und ein roter Großrückstrahler hinten, die laut StVZO zwingend vorgeschrieben sind.

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