Berlin zählt Mobilität: ADFC Berlin & DLR rufen zu Citizen Science-Projekt auf

Berliner:innen schaffen Wissen: Im Rahmen des Projekts „Berlin zählt Mobilität“ sollen 100 Zählgeräte den Verkehr auf Berlins Straßen erfassen. Wir suchen Menschen, die mitmachen wollen!

Wer seinen Kiez lebenswerter und sicherer gestalten will, kann durch die zur Verfügung gestellten Zählgeräte lokale Verkehrsdaten in Echtzeit erheben. Damit entsteht die Chance für Anwohner:innen und Initiativen, auf Basis der realen Mobilitätsdaten, Verwaltungshandeln für die lebenswerte Stadt einzufordern. Laufen soll das Projekt zunächst für zwei Jahre.

"Als ADFC Berlin setzen wir uns für die Verkehrswende in den Kiezen ein. Mit dem Projekt „Berlin zählt Mobilität“ möchten wir den Berliner:innen ermöglichen, Mobilitätsdaten selbst zu erheben, um in einem partizipativen Dialog eigene Forderungen an Verwaltung und Politik einzubringen. Jetzt sind die Menschen vor Ort gefragt mitzumachen, um ihren Kiez sicherer, lebenswerter und klimafreundlicher zu machen", sagt Ralf Siemers, verantwortlich für das Projekt „Berlin zählt Mobilität“ im ADFC Berlin.

Ziel des Projekts ist es, kostengünstig und zuverlässig Daten über das Berliner Verkehrsgeschehen zu sammeln und zu dokumentieren. Die Auswertung von Kfz, deren Geschwindigkeiten, Fuß- und Radverkehr sind sofort online abrufbar. Das Wissen über Mobilitätsdaten im eigenen Kiez ermöglicht Anwohner:innen und lokalen Initiativen, sich zielgenau an Bezirksämter und Verwaltungen zu wenden, um das eigene Wohngebiet aufzuwerten und aktiv mitzugestalten.

Die Zählgeräte der belgischen Firma Telraam wurden bereits im Rahmen des europäischen Projekts „WeCount“ verwendet, in dem Pilotstädte wie Dublin, Madrid und Cardiff bereits ähnliche Messungen durchgeführt haben. Mit dem Projekt „Berlin zählt Mobilität“ schließt sich nun auch die deutsche Hauptstadt an. Zur Verfügung gestellt werden die Geräte vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

„Neben der Erhebung in den Kiezen, die sich je nach Bedarf der Berliner:innen zusammensetzen, haben wir Treptow-Köpenick als Modellbezirk für eine detailliertere Abbildung der Verkehrslage ausgewählt. Hier sollen Verkehrsmodelle entwickelt werden, die nicht wie bisher auf den motorisierten Straßenverkehr fokussiert sind. Stattdessen wollen wir in unserem wissenschaftlichen Projekt DATAMOST bevorstehende Änderungen im gesamten Verkehrssystem mit Hilfe von Simulation für alle Bürger:innen verständlich darstellen“, sagt Michael Behrisch, Wissenschaftler am DLR-Institut für Verkehrssystemtechnik.

Die Forderung nach menschenfreundlicheren Höchstgeschwindigkeiten, deren Einhaltung, die Umsetzung von Lärmaktionsplänen, der Ausbau sicherer und attraktiver Fuß- und Radwege im Kiez sowie die Messung des Verkehrsgeschehens rund um Schulen und Kitas oder Unfallschwerpunkten sind typische Schwerpunkte bei der Erhebung. In Berlin können die Telraam-Zähler, die idealerweise im 1. Stock eines Fensters zur Straße anzubringen sind, außerdem zählbare Argumente für Kiezblocks liefern.

Gesucht werden noch Personen, die ihr Fenster (das den gewünschten Kriterien entspricht) zur Verfügung stellen, um Mobilität mit zu zählen!

Mach jetzt mit und beantrage dein Zählgerät hier:https://telraam.net/en/candidates/berlin-zaehlt-mobilitaet/berlin-zaehlt-mobilitaet

Wie funktioniert das Gerät genau?

Die Verkehrszählung mit den Geräten erfolgt von erhöhter Position aus einem Fenster. Die Bürgerinnen und Bürger montieren das Gerät an ihrem Fenster, richten es ein, aktivieren die definierte Funktion und die Verkehrszählung kann beginnen. Alle gesammelten Zählergebnisse werden für Politik und Forschung, aber auch für alle Anwohner*innen und Interessierten zur Verfügung gestellt.

Die Erfassung der Objekte im Zählgerät erfolgt mit sehr geringer Auflösung. Personen und Fahrzeugkennzeichen sind nicht identifizierbar.

 

Datenschutzaspekte zu "Berlin zählt Mobilität"

Die Kamera des Zählgerätes ist auf die Straße gerichtet, um Fußgänger, Radfahrer, Autos und Schwerlastverkehr zu zählen. Das Gerät verarbeitet die Kamerabilder sofort und die Kamera filmt in niedriger Auflösung, so dass keine Gesichter oder Nummernschilder erkannt werden. Die Kamera ist so konzipiert, dass es keine Möglichkeit gibt, die Kamerabilder selbst einzusehen (weder durch den Besitzer des Gerätes noch durch Dritte). Die Kamerabilder sind nur während der Installation des Gerätes für den Benutzer (um die Kamera richtig ausrichten zu können) und für einen Zeitraum von maximal zehn Minuten sichtbar. Optional kann man entscheiden, ob einmal täglich ein speziell aufbereitetes Bild zur Kontrolle der korrekten Kameraposition in das eigene Dashboard auf der Telraam-Webseite hochgeladen werden soll. Dieses Bild mit einer Auflösung von 640×360 Pixeln enthält nach einer entsprechenden Bearbeitung im Zählgerät keine Informationen über Personen oder Objekte, die sich im Zeitraum der Aufnahme (30 Sekunden) durch das Blickfeld der Kamera bewegten.

Die vom Gerät gesammelten Zähl-Daten (nicht die Bilder, anhand derer vorher die Zählung erfolgt) werden drahtlos über WLAN verschlüsselt an eine zentrale Datenbank übertragen, wo sie weiterverarbeitet (zu anschaulichen Diagrammen und einfachen statistischen Auswertungen) werden. Die aufbereiteten Zähl-Daten sind als Zählergebnisse für jedermann frei zugänglich unter www.telraam.net.

Das Projekt „Berlin zählt Mobilität“ des ADFC Berlin wurde im Jahr 2021 der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit vorgestellt. Basierend auf den bereitgestellten Informationen wurde das Projekt von der BlnBDI in der vorgestellten Form datenschutzrechtlich nicht beanstandet.

In einer Stellungnahme hatte die belgische Datenschutzbehörde (GBA) keine Einwände gegen diese Methode der Verarbeitung von Kamerabildern (sofort und lokal, im Gegensatz zur Speicherung der Bilder & Weiterleitung an eine zentrale Datenbank zur zentralen Verarbeitung, wie es bei klassischen Kamerasystemen der Fall ist).

Im Rahmen der Registrierung für ein Zählgerät auf der Telraam Webseite werden einige persönliche Daten (Name, Adresse und E-Mail-Adresse) nach vorheriger Zustimmung durch den Nutzer abgefragt. Man wird darüber informiert, was mit diesen Daten geschieht. Diese persönlichen Daten werden in keiner Weise an Dritte weitergegeben. Für die Weitergabe der Zähldaten werden Straßenabschnitte und keine spezifischen Adressdaten verwendet.

Technisch gesehen läuft die Verarbeitung wie folgt ab:

Die Kamera sendet das Bild (effektives Bild der Straße) an die Verarbeitungseinheit (Raspberry Pi basierter Minicomputer), der physisch mit der Kamera mit einem Kabel verbunden ist. Der Minicomputer verarbeitet die Bilder sofort zur Objekterkennung und speichert nur die folgenden Informationen, die „Pixelwolken-Daten“, über diese Objekte: Größe, Geschwindigkeit und Position des Objekts auf dem Bild (oben/unten). Die Bilder der Kamera selbst werden nicht wirklich erfasst, sondern sofort zu „Pixelwolken-Daten“ umgewandelt und sind auch nirgends sichtbar. Die Informationen über die Objekteigenschaften (Pixelwolken) werden an eine zentrale Datenbank für eine zweite Verarbeitung gesendet, in der die Objekteigenschaften in Fahrzeuge übersetzt werden (z.B. Objekt mit Größe 5688 Pixel mit Pixelgeschwindigkeit 24 Pixel/Sekunde ist ein Auto, Objekt mit Größe 700 Pixel mit Pixelgeschwindigkeit zehn Pixel/Sekunde ist ein Fahrrad, usw…). Sind „Zähl-Daten“ erstellt, werden die „Pixelwolken-Daten“ gelöscht. Nicht die „Pixelwolken-Daten“, sondern nur die „Zähl-Daten“ werden über das Informationssystem gespeichert und veröffentlicht. Wenn man die gesamte Kamera und die lokale Verarbeitung betrachtet, kommt der Input von der Kamera (tatsächlich häufige Bilder im Farbspektrum pro Pixel), die Interpretation des Inputs erfolgt durch die Erkennung allgemeiner Eigenschaften von Objekten (Pixelgröße,…). In diesem Sinne werden eigentlich keine Bilder aufgenommen, sondern es werden nur die relevanten Eigenschaften der Bilder herausgefiltert (Objekterkennung und einige Eigenschaften). Die Kamera zählt somit die Anzahl der Objekte, die vor ihr vorbeiziehen.

Bei der Bildverarbeitung gibt es zwei wesentliche Elemente:

  • Die Bilder selbst werden lokal und sofort verarbeitet. Es nicht möglich, die Bilder direkt von der Kamera abzufragen.
  •  Die verarbeiteten Daten sind generisch und stellen keine persönlichen Daten dar. Es werden keine Nummernschilder, Gesichter oder Merkmale von Personen erfasst.

Das einmal täglich zum zentralen Telraam-Server gesendete Einstellungsbild ist zehn Tage im persönlichen Account des Benutzers sichtbar und wird danach aus der Datenbank des Systems gelöscht.

Die im Telraam-Server vorhandenen Zähl-Daten werden nicht gelöscht und sind via API zeitlich unbeschränkt verfügbar.

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