Ruinen der Burg Devín am Fluss Donau

Die Burg Devín am Zusammenfluss von March und Donau © Stefan Jacobs

Tourentipp: Von Brno über Bratislava nach Wien

Vier Tage, vier Länder, eine Tour. Von STEFAN JACOBS.

Über den Sinn dieser Tour können wir auf der Heimfahrt reden – in vier Tagen. Jetzt sind wir nach sieben Stunden Bahnfahrt erst einmal in Brno (Brünn). Von hier aus wollen wir durch Mähren und Niederösterreich in die Slowakei fahren, ein­en Abstecher durch Ungarn wagen und schließlich entlang der Donau nach Wien stoßen. Von dort bringt uns der ICE wie­der nach Berlin zurück. Das dürfte ein anstrengendes langes Wochenende werden.


Als Prolog drehen wir eine Runde in Brno, Tschechiens zweitgrößte Stadt, inklusive Bergetappe zur Burg Špilberk und zu der von Mies van der Rohe entworfenen Villa Tugendhat. Ein­mal Mittelalter, einmal Moderne, beides mit Blick auf die Alt­stadt, in der Fußgänger:nnen viel Platz zum Flanieren haben.
Der Weg aus Brno nach Süden ist als Eurovelo 9 beschildert und teils gut ausgebaut, teils notdürftig zwischen Industrieflächen und dem Flüsschen Svratka geführt. Mit zunehmender Entfernung zur Stadt werden Orte und Land­schaft schöner. Südlich von Vranovice fahren wir durch hüge­lige und üppig grüne Weinberge und Wiesen, die sich bis zu den Pálava-Stauseen ziehen. Die Seen sind offensichtlich bei Anglern beliebt, während am Ufer das ultimative Badeparadies „Aqualand Moravia“ Familien anlockt. Manche der Wasser­rutschen ähneln eher Achterbahnen. Hätten wir Kinder dabei, hätten wir hier garantiert ein paar Stunden verbringen müssen.


In Novosedly bringt uns ein Weinfest in Versuchung. Doch wir widerstehen und schlängeln uns schweren Herzens zwisch­en den Ausflüglern durch, die mit Weingläsern in der Hand durchs Dorf spazieren. Zum Trost gönnen wir uns eine Schale Bio-Erdbeeren vom Bauern, bevor wir die sanften Hügel Richtung Mikulov angehen. Das prächtige Schloss auf einer Anhöhe überragt das hübsche Städtchen mit seinen roten Ziegel­dächern und freundlich leuchtenden Fassaden. Im Hinter­grund pilgern Leute wie auf einer Ameisenstraße zu den Kapellen auf dem Heiligen Berg, der mit 363 Metern der höchste der Gegend ist.


Auf mal perfektem und mal passablem Asphalt rollen wir nach Valtice, gestärkt von Alleebaumkirschen. Die einstige Kontrollstelle an der Grenze zu Österreich ist jetzt ein düsteres Museum. Das Städtchen wiederum wird vom riesigen Barock­schloss überstrahlt. Auf dem Weg zur Grenze, via Lednice, folgen noch mehrere Prachtbauten und ein Park, die allein die Reise wert sind.


Nach diesem Pomp wirkt Österreich unerwartet schlicht: Statt alpenländischer Opulenz gibt’s hier bescheidene Straßen­dör­fer zwischen leicht gewellten Feldern, in denen Hasen ren­nen und Fasane trippeln. Unser barockes kleines Hotel in Pal­tern­dorf ist das schickste Gebäude weithin.
Wir wechseln auf die Eurovelo 13, den Iron Curtain Trail, der in Hohenau die March quert. Der Fluss, der Mähren seinen Namen gab, bildet die Grenze zur Slowakei. Wir radeln auf der östlichen Seite durch flaches Land mit weit verstreuten Dörfern, auf denen schwer der Eiserne Vorhang lag. Je näher wir Bratislava kommen, desto intakter scheinen die Dörfer. Devíinskaá Nová Ves wirkt schon vorstädtisch und hat mit der kühn geschwungenen „Fahrradbrücke der Freiheit“ eine der wenigen Direktverbindungen nach Österreich.
In Devín mündet die kleine March in die riesige Donau. Der von einem Felsen samt Burgruine dominierte Ort ist slowakisches Heiligtum, der Ausblick grandios. Nachteil der steilen Hänge: Für einen Radweg war auf den letzten Land­straßenkilometern bis Bratislava kein Platz. Aber für den Weg ins Zentrum gibt’s eine Uferpromenade.
Die Zeit reicht noch für einen Abendspaziergang durch die Altstadt, die zwischen Burgberg und Donau hockt. An deren Süd­ufer erhebt sich das Plattenbaugebiet Petržalka, das als Silhouette an uns vorbeizieht, während wir auf dem Donau­deich südwärts rollen. Der gestaute Fluss ist breit wie ein Meeresarm.


Beim Wasserkraftwerk Čunovo grüßen grellbunte Skulp­turen vom Museum auf einer künstlichen Halbinsel. Und zwei Ecken weiter sind wir in Ungarn. Einfach so, weil der Abstecher sich anbot. Rajka heißt das Dorf, in dem bis 1945 mehrheitlich Deutsche lebten und jetzt Slowaken die Hälfte der Bevölkerung ausmachen – der Grundstückspreise wegen. Eine Landstraße führt uns ins Dreiländereck, an dem ein dreieckiger Steintisch in den Feldern steht: jede Seite in einem anderen Land.
Wir rollen wieder durch Österreich, an der Grenze entlang mit Blick auf Wiesen links und die Petržalka-Platten rechts und ein paar Hügel voraus. Von einem grüßt die Burg von Bratislava – leuchtend weiß. Die Route folgt der flachen Landstraße. Allerdings verläuft der Donauradweg auf einem teils steil abfallenden Deich, und die Orte ächzen unter der immer­währenden Autokolonne von und nach Bratislava.


In unserem letzten Quartier, in Hainburg, haben wir Ruhe, weil wir direkt an der Donau übernachten. Also fast direkt, denn zwischen Ort und Fluss zieht sich ein Bahnviadukt, das zugleich vor Hochwasser schützt. Pegelstriche am Gemäuer sprechen für sich. Der höchste ist von 2013.
Die letzte Etappe ist dank Rückenwind schnell geschafft. Wir folgen dem Nordufer der Donau Richtung Wien. So verpassen wir zwar die römische Siedlung Petronell, aber sehen dafür Schloss Eckartsau mit herrlich blühendem Park und genießen autofreien 1A-Asphalt. Irgendwann enden die Wiesen am Deich, wir passieren ein Öllager und FKK-Wiesen, bevor wir durch den schattigen Prater ins Zentrum radeln. Der Stadt­verkehr strengt an, aber durch die Hofburg radelt man nicht alle Tage. Nach knapp 400 gut beschilderten, größtenteils angenehm zu fahrenden Kilometern sitzen wir wieder im Zug nach Berlin. Und stellen fest, dass sich diese Tour gelohnt hat wie kaum eine davor.


Zur Orientierung und als Reiseführer empfehlen sich die Bikeline-Bücher „Eurovelo 9“, „Europa-Radweg Eiserner Vorhang, Von Hof nach Szeged“ und „Donau-Radweg 3“. Die Fahrradplätze im Zug müssen frühzeitig reserviert werden (bis 180 Tage vorab möglich).

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