Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Landesverband Berlin e. V.

Immer der Dahme nach – ein Annäherungsversuch

20 Kilometer zähe Anfahrt, 100 Kilometer Flussgenuss, 20 Kilometer Murks: Der Dahme-Radweg ist am Anfang und Ende etwas speziell, aber dazwischen sehr reizvoll. Von Stefan Jacobs.

Unsere Tourenempfehlung in dieser Ausgabe: Ab auf den Dahme-Radweg.
Unsere Tourenempfehlung in dieser Ausgabe: Ab auf den Dahme-Radweg. © ADFC Berlin / Stefan Jacobs

Fluss in Berlin mit fünf Buchstaben? Die Spree fällt jedem ein, Fortgeschrittenen noch die Havel, Insider:innen die Panke. Aber die Dahme hat kaum jemand parat, obwohl sie an ihrer Mündung in Köpenick viel breiter ist als die Spree, die sie mitnimmt Richtung City. Grund genug, die Sache zurückzuverfolgen bis zum Ursprung. 

Der Annäherungsversuch an die Dahme beginnt morgens am Bahnhof Luckau-Uckro, an dem sonst niemand ausgestiegen ist aus dem RE von Berlin. Der kürzeste Weg Richtung Quelle wäre eine radweglose Bundesstraße, der schönere führt auf einer kleinen Landstraße nach Pitschen-Pickel und fast autofrei via Falkenberg und Kemlitz nach Altsorgefeld: ein Dutzend Häuser um eine Lichtung im Wald. „Dahme“, ächzt ein uralter Wegweiser nach rechts. Nach einem Kilometer Waldweg lehnt ein zerbrochener Artgenosse an einem Baum – wieder rechts. Noch ein Kilometer bis zu einem umgekippten Schild, das sich im Moos ausruht. Hier links. Dann geradeaus bis zu einem Feld, wo ein intaktes Schild die Quelle weist. Die liegt in einer Rinne, in der am Ende der Eiszeit wohl mächtig was los war. Jetzt reicht es nur noch für etwas Schlamm, und mangels Weg muss man zurück zur letzten Biege an der Flanke des 151 Meter hohen Austenberges. Abwärts geht’s nach Kolpien, das in der Senke grüßt und mit glatter Asphaltstraße empfängt. Die junge Dahme hat eine Abkürzung durch die Felder genommen und kreuzt die nun als Dahme-Radweg beschilderte Straße kurz vor Dahme/Mark. Highlight des Städtchens ist das backsteinerne Rathaus, das just dem von Köpenick ähnelt, direkt an der Mündung, 100 Kilometer nördlich von hier. 

Ein Rundkurs führt an der Stadtmauer entlang. Vom Schloss hat der Zahn der Zeit nur die Grundmauern dagelassen, hinterm Schlosspark verliert sich das Städtchen. Auf Fläming Skate-Premiumasphalt geht’s durch die Felder zur Bach-Mühle – einer von fast 20 im Oberlauf der Dahme, die hier knöcheltief ist und so breit wie der Radweg. Über ein Wehr plätschert sie an der längst radlosen Mühle vorbei, die Privatleute restauriert haben. 

Der Radweg entfernt sich nun etwas vom Fluss und verläuft mit hübschen Ausblicken am Waldrand oberhalb einer weiten Senke nach Wildau-Wentdorf. Auch dort steht noch ein großes Mühlgebäude. Zwei weitere Mühlen, Kleine und Brandmühle, meidet der offizielle Weg wegen einer gesperrten Brücke, aber mit dem Rad kommt man rüber. 

Außer Landschaft ist entlang der ersten 30 Flusskilometer wenig passiert, aber das ändert sich an der Kanowmühle. Das Anwesen direkt am Weg ruft zum Hofladenstopp. Neben Aufstrichen, Säften, Mehl und Spreewälder Spezialitäten gibt’s rund 20 Ölsorten, die meisten hier gepresst. Denn die Kanowmühle, ein Familienunternehmen in siebter Generation, ist als einzige an der Dahme noch in Betrieb. Genaueres erfährt man dienstags um 10 Uhr bei einer Führung – oder man hat das Glück, auf dem Hof Jörg Behrendt über den Weg zu laufen, dem Senior. Der behauptet, er sei gerade 84 geworden, und erklärt: „Leinöl erhält einem das junge Aussehen.“ Vor 40 Jahren habe er die Müllerstochter geheiratet und sei aus Berlin hergezogen. Viel Mühlbetrieb sei nicht mehr gewesen nach jahrzehntelangem Verschleiß. Aber ab 1995 habe die Familie die Mühle wieder in Gang gebracht. Die Mechanik reicht über drei Etagen bis zur Turbine, die unter einer Luke in der Dahme hängt. Weniger pittoresk als ein Schaufelrad, aber effektiver. Wobei sie die Mühle meist mit Strom betreiben: „Vor 30 Jahren konnten wir die Turbine fast ständig laufen lassen, aber jetzt wäre bald unser Mühlteich leer.“ 

Noch mal zum Leinöl, von dem Freunde erzählt hatten, das aus der Kanowmühle am besten schmecke: Jörg Behrendt ist erfreut, aber nicht überrascht. Nur hier gewinnen sie das Öl per Stempelpresse, die die Samen behutsam öffnet. Die Konkurrenz zerquetsche die Körnchen in Schneckenpressen zu Brei, statt nur das Öl zu befreien. Das nehme er statt Butter, sagt Behrendt, bevor er die Berliner Edeka- und Rewe-Märkte rekapituliert, die Kanow-Öle verkaufen. Die weiterenStandbeine seien Onlineshop, Hofladen-Kundschaft sowie Einheimische, die sich große Gefäße befüllen lassen nach Spreewälder Art. Wie hoch liegt die Kanowmühle eigentlich? „66 Meter“, sagt Behrendt. Also 35 Meter über der Mündung in Berlin. Kaum der Rede wert. 

Mit gefüllten Packtaschen geht’s weiter nach Golßen, Heimat des „Spreewaldhof “-Imperiums, und durch einen Bruchwald Richtung Rietz-Neuendorf. Unter den noch kahlen Laub bäumen blühen Unmengen Buschwindröschen. Hinter einem Hang mit strandfarbener Binnendüne öffnet sich der Wald und gibt einen Blick frei auf das Riesenraumschiff „Tropical Island“. Bis Teurow geht’s auf ruhiger Landstraße weiter, dann per Fahrradstraße nach Märkisch Buchholz, wo sehr viel Wasser über ein Wehr tost. Wo kommt das denn auf einmal her? 

Die Antwort lautet: Dahme-Umflutkanal. Der wurde vor 120 Jahren als Hochwasserversicherung für den Spreewald gegraben und verbindet die beiden Flusssysteme samt ihren Seen. Den ersten Seeblick gibt’s nach langer Waldfahrt in Prieros und kurz darauf noch besser von der Fahrradbrücke in Dolgenbrodt. Am allerbesten wird’s am Krüpelsee mit mehreren Rast- und Badestellen. Hinter dem Strandbad am Krimnicksee schwenkt die Dahme nordwärts zur Schleuse Neue Mühle, der letzten vor Berlin. Ab hier steht das Wasser praktisch. Und der Dahme-Radweg rumpelt schmal und öde neben Landstraßen bis nach Schmöckwitz. Erst vor Grünau wird’s wieder hübsch, weshalb man ab Königs Wusterhausen getrost die S-Bahn nehmen kann – nun, da die Ursprungsfrage geklärt ist.

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https://berlin.adfc.de/neuigkeit/immer-der-dahme-nach-ein-annaeherungsversuch

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